Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
und ich war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Das Blut
rauschte mir in den Ohren und mein Herz schlug so schnell gegen meine Brust,
dass es schmerzte.
»Schhht mein Schatz, alles ist gut.«
Ich sah, wie er seine Hand auf das
Abbild meiner Schulter legte. Sofort durchfuhr mich seine Wärme und pulsierte
vom Punkt der Berührung ausgehend durch meinen gesamten Körper.
Ich sah an mir hinab auf meine
Schulter, aber dort lag keine Hand. Vorsichtig fuhr ich mit meinen Fingern über
die Stelle, aber da war nichts weiter als meine eigene Haut.
»Wie ist das möglich?« Meine Stimme
zitterte dabei genauso wie mein Körper, noch immer von der Angst begleitet,
dass ich gleich bewusstlos auf dem Boden aufschlagen würde.
»Ist das denn so wichtig? Ich bin
doch jetzt da.«
»Ich werde wahnsinnig!«, rief ich
etwas zu laut und schüttelte den Kopf. »Alexander hatte Recht! Ich habe eine
tiefsitzende Depression – wahrscheinlich sogar eine ausgeprägte Psychose – ich
bin verrückt, sie werden mich einweisen – ich muss…«
Fest umschlangen mich seine Arme und
der schmiegte seinen Kopf an den meinen – zumindest geschah dies meinem
Spiegelbild.
»Du bist nicht verrückt! Alles ist
gut mein Schatz. Alles ist gut!« Er klang dabei so eindringlich und ich wünschte mir mehr als
alles andere, dass er Recht damit hätte.
Minutenlang sah ich auf das Bild, das
sich mir bot. Ich konnte mich einfach nicht davon lösen. Niemals mehr wollte
ich davon ablassen.
Da stand er und hielt mich im Arm,
wie er es so oft getan hatte. Er trug einen Dreitagebart und seine Haare waren
länger als früher, länger als sie waren, als ich ihn in grünen Tüchern gehüllt
verlassen hatte.
Das alles war doch gar nicht möglich!
Zaghaft hob ich meinen Arm und meine Hand
näherte sich dem Spiegel. Mit den Fingerspitzen fuhr ich seine Wange entlang.
Ein warmes Lächeln lag auf seinem Gesicht, doch das Glas, das meine Haut
berührte, war glatt und kalt.
»Du musst es nicht verstehen« , flüsterte er nun fast, aber noch
immer war seine Stimme ruhig und ausgeglichen – und mein Körper begann langsam
sich zu entspannen.
»Ich habe dich so sehr vermisst!«
»Was meinst du wie es mir …« – weiter
kam ich nicht, denn meine Stimme brach unter den Tränen, die mir das Gesicht
herunter liefen. Ich konnte einfach nicht aufhören.
Noch immer hielt er mich fest
umschlungen, die Augen auf mich gerichtet und er sah zu, wie ich ganze
Sturzbäche weinte – vor Freude.
»Ich werde dich nie wieder so lange
alleine lassen. Es tut mir so leid, Emilia. Es tut mir so leid. Ich wollte dir
das alles nicht antun!« Er blickte dabei nach unten, ganz so, als könne er mir dabei nicht in
die Augen sehen und in seinem Gesicht breitete sich ein schmerzerfüllter
Ausdruck aus.
Alles was mich dabei interessierte
war der Klang seiner Stimme, als er meinen Namen aussprach.
Das war mein Robert, mein Mann, mein
Liebster.
Er war es wirklich!
»Heißt das, du wirst wiederkommen?« Ich
wagte es kaum auszusprechen. Zu stark war die Angst davor, dass dieser Moment
einmalig war und durch jede weitere Frage zunichte gemacht werden würde.
»Wenn du mich noch bei dir haben
willst?«
»Du bist ein Idiot«, antwortete ich und
konnte mir das Lachen dabei kaum verkneifen.
Ich hob meine Hand und konnte sehen,
wie dessen Abbild unter sein Kinn glitt und es nach oben hob. Er sah mich nun
wieder direkt an und ich blickte in seine Augen – die dunklen Perlen, die ich
seit so vielen Wochen nicht mehr gesehen hatte.
»Wehe, wenn nicht!«
Auch ihm huschte ein Lächeln über die
Lippen, doch wirkte er im nächsten Moment ganz ernst.
»Du musst mir etwas versprechen. Eine
Sache nur.« Seine
Stimme hatte einen strengen Tonfall angenommen. »Frag mich niemals, niemals
hörst du, wie das möglich ist!«
»Sind das all deine Bedingungen?«
Er nickte nur.
»Nichts leichter als das«, sagte ich
und wusste dabei selbst, dass diese Antwort vielleicht etwas zu schnell aus mir
heraus gepurzelt war. Wollte ich ihr überhaupt Folge leisten? Konnte ich es
überhaupt?
Auch er wusste das und musterte mich
kritisch. Dieser kritische Blick, der hinter meine Fassade blicken konnte und
dem nie etwas verborgen blieb.
Seine Lippen formten sich wieder zu
einem Lächeln. »Du konntest noch nie gut lügen« , und seine Umarmung
wurde nochmals inniger.
Ich hatte mich verändert, um ihn zu
vergessen und nun war ich ihm näher, als ich mir in meinen kühnsten Träumen hätte
vorstellen können.
Ich
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