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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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schien meine Einschätzung nur zu bestätigen.
    »Dann muss ich auf jeden Fall gehen.
Ich werde euch nicht meinetwegen in Gefahr bringen, ich…«
    »Robert, hast du es denn immer noch
nicht begriffen?«, sprach Richard in ruhigem, fast väterlichem Ton und trat
dabei einige Schritte auf mich zu. »Wir sind eins. Es gibt kein du mehr – wir
sind jetzt deine Familie. Und wir stehen zueinander, egal was passiert.
Vielleicht haben wir Glück. Ich kenne keine weitere Gruppe wie die unsere.
Wahrscheinlich waren die anderen nur durch Zufall zusammen, für einen Job. Und
wenn nicht, dann sollen sie ruhig kommen. Keiner vergreift sich an einem von
uns, egal was er getan hat.«
    Ein warmen, liebevolles Grinsen
breitete sich auf seinem Gesicht aus und kleinen Falten durchfurchte die Haut
um seine Augen.
    »Du kannst niemanden dafür bestrafen,
seine Aufgabe zu erfüllen. Er war im Recht. Es war seine Aufgabe, das Leben
dieses kleinen Mädchens abzuholen. Wage es ja nie wieder, dich meinen
Anweisungen zu widersetzen. Ich habe schon ein paar Jahre länger auf dem Buckel
als du. Also vertrau endlich darauf.« Er nahm einen letzten, tiefen Schluck aus
der Flasche und ließ sie im nächsten Moment auf einem nahegelegenen Stein
zerschellen.
    Er gab mir einen Klaps auf die
Schulter und als wäre es das einzig wichtige Signal, fiel die gesamte
Anspannung von mir ab. Als hätte jemand die Ketten überschwerer Gewichte
gelöst. Ich würde bleiben dürfen, war angekommen in meiner neuen Familie.
    Gemeinsam schlenderten wir über die
verwilderte Wiese in Richtung Haus.
    Sie kamen blitzschnell. Wir waren
umzingelt, umringt von elf fremd anmutenden Gestalten. Ich spürte, wie Richard
mein Handgelenk ergriff und mich nach hinten drückte. Er stand direkt vor mir
und baute sich breit auf.
    Ich ließ meinen Blick durch die
Umstehenden schweifen und konnte kaum fassen, was ich sah.
    Fünf von ihnen, sie hatten sich
entlang unserer rechten Seite postiert, waren dunkel wie die Nacht. Schwarze
Schatten, die schwärzesten Schatten, die ich jemals erblickt hatte. Kein einziger
Funken Licht wurde von ihnen reflektiert. Sie waren eine tiefschwarze dunkle
Masse. Ich konnte nicht einmal ihre Gesichter erkennen geschweige denn
ausmachen, wer sich dort vor uns gestellt hatte, so sehr hatte sie die
Dunkelheit eingehüllt.
    Ihnen gegenüber, ebenfalls in einem
Halbkreis um uns herum, standen ihre fünf Ebenbilder oder vielmehr Gegenstücke.
Während die dunklen Gestalten das gesamte Licht im Umkreis verschluckten,
strahlten die Wesen auf unserer linken Seite es selbst aus. Sie schienen
geradezu von innen heraus zu leuchten, so hell erstrahlten ihre Silhouetten.
Das gleißende Licht, das sie ausstrahlten, blendete mich und nur kurz konnte
ich einen Blick auf sie werfen. Es konnten nur die Anderen sein.
    Wenn auf der einen Seite die Schatten,
der Tod stand, dann waren die Gestalten auf der anderen Seite diejenigen, die
das Leben schenkten.
    Ich hatte noch nie zuvor einen von
ihnen gesehen. Alles was ich wusste, beruhte auf den Erzählungen von Richard.
Sie waren unser Gegenpol – zwei Seiten einer Medaille, Gut und Böse, Schwarz
und Weiß, Ying und Yang, Leben und Tod, Schatten und Licht.
    Sie – die Anderen – waren die
Einzigen, die uns wahrnahmen, neben uns selbst natürlich. Sie waren es, die in
der Lage waren, das Leben zu schenken, während wir dazu verdammt waren, es zu
nehmen. Und im Gegensatz zu uns, lebten sie wie jeder normale Mensch. Sie
hatten ein Leben und waren keineswegs zur Unkenntlichkeit verbannt wie wir.
    Auch ihre Gesichter waren nicht
erkennbar, wenn auch aufgrund des hellen Lichtscheins und nicht der Dunkelheit.
Wir waren umringt von einer gesichtslosen, identitätslosen Masse. Aber keiner
von den zehn Widersachern konnte die Erscheinung des Kopfstückes übertreffen.
    In ihrer Mitte, eingefasst wie ein
Diamant, thronte sie – eine gespaltene Frau – halb Licht, halb Schatten.
Während ihre rechte Hälfte dunkel und schwarz war, erstrahlte die andere Hälfte
in gleißendem Licht. Beide Seiten trafen sich direkt in ihrer Körpermitte, als
wäre diese Trennung exakt mit einem Lineal gezogen worden. Und während die
anderen gesichtslose Schemen waren, konnte man ihre Mimik genau erkennen.
    Ihre langen Haare waren kunstvoll
hochgesteckt, die eine Seite pechschwarz, die andere platinblond und an den
Stellen, an denen sich die Haarsträhnen trafen mutete es beinah wie ein
Schachbrettmuster an. Auch ihre Augen waren verschieden –

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