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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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hilfloser Schrei.
    Es brauchte keinen Blickkontakt und
fast synchron stürmten Richard und ich nach vorn, dem Schrei entgegen. Ich
blickte nach oben – und da war er wieder, der Mann in Weiß. Wie ein Affe
hangelte er sich von Strebe zu Strebe und ich konnte bereits sein Ziel
ausmachen, eine weitere in der Wand eingelassene Nische.
    Ich betrachtete die Wand. Das
Leuchten, das von ihr ausging, hatte bereits an großer Intensität gewonnen. Wer
auch immer dort geschrien hatte, er hatte Todesangst und diese war begründet.
Ohne auf potentielle Geräusche zu achten, stemmte Richard die Tür auf, die uns
von diesem Schicksal trennte.
    Sechs Männer standen in einem Kreis
um etwas, dessen Anblick uns verwehrt blieb. Sie grölten, sie lachten, sie
machten dreckige Witze. Aber ich sah das Leuchten – ich sah die Kameras – ich
sah den Mann, der soeben seinen Hosenstall schloss.
    Nur einer von ihnen hatte unser
Eindringen bemerkt und wand sich Richtung Tür. Eine Sekunde später hatte ich
bereits meine Hände, um sein Gesicht geschlungen und er sackte leblos zu Boden.
    Tumult brach aus. Die anderen
Widerlinge sahen zu ihrem Kollegen, der nicht einmal mehr zuckend auf dem Beton
lag. Die folgenden drei waren genauso schnell erledigt – einer für Johann,
einer für Ria, einer für Richard. Blieben noch zwei, die sich gerade aufmachten
zu flüchten – wie lächerlich.
    Ria ließ es sich nicht nehmen ihre
Schnelligkeit unter Beweis zu stellen und sprang den rechten der beiden von
hinten in den Nacken. Auch dieser brach widerstandlos zusammen.
    Der Letzte gehörte mir. Ich spürte,
wie eine noch nie zuvor dagewesene Kraft Besitz von mir ergriff. Nicht ich war
das Monster, sondern sie – kleine Kinder. Es waren doch nur kleine, hilflose
Kinder!
    Mit zwei Sprüngen war ich bei dem
Flüchtling angelangt und rammte ihn in die Seite. Er war stärker als seine
Kollegen und sein Kreuz war doppelt so breit wie das meine. Das Monster begann
zu wanken, konnte sich aber auf den Beinen halten, während ich mich im Dreck
abrollte. Mit wilden rudernden Schlägen fuchtelte er um sich. Mehrfach musste
ich unter seinen Hieben wegducken, um nicht von seinen mächtigen Pranken
erschlagen zu werden – bis ich sein Handgelenk zu fassen bekam.
    Er sackte auf die Knie, versuchte
noch etwas zu sagen. Ich drückte zu, immer fester, er sollte leiden – er sollte
sterben.
    Einen Augenblick später war sein
Leuchten erloschen und er klappte nach vorn. Sein Kopf schlug kurz vor meinen
Stiefeln auf und wirbelte dabei eine Woge aus Staub auf.
    Als ich aufblickte war der Raum
gesäumt von sechs toten Männern. Keiner von ihnen regte sich mehr – und doch
hatte ich das Gefühl, dass dies nicht genug war. Ihr Tod war nicht genug, um
das, was sie getan hatten, in irgendeiner Weise aufwiegen zu können.
    Sie waren nicht die Einzigen, die
sich nicht mehr bewegten. Ein kleines Mädchen, höchstens acht Jahre alt, lag
auf einem dreckigen Stück Teppich. Ihr Körper war in sich zusammen gesunken und
ihre zarten blonden Löckchen rankten um ihr Gesicht. Das Licht, das von ihr
ausging, blendete mich. Kleine Punkte tanzten vor meinen Augen entlang, als ich
sie anstarrte.
    Ich hörte ihn, noch bevor ich ihn
sah. So schnell ich konnte, schnellte ich zu der Kleinen und wurde dabei von
etwas Festem an der Seite getroffen. Aus den Augenwinkeln sah ich noch ein
Stück seines weißen Trainingsanzuges.
    Ich schnellte herum und versuchte
irgendetwas meines Gegenübers zu ergreifen. Verwundert darüber, dass ich noch
immer nicht aufgegeben hatte, starrte er mich an. In seinen Augen stand pures
Verlangen – und Wahnsinn.
    »Du wirst sie nicht kriegen!«, schrie
ich und rammte ihn von der Seite. Wir landeten als ein wild kämpfendes Knäul
auf dem Boden. Ein harter Schlag traf mich in den Magen und trieb mir die Luft
aus den Lungen.
    So nicht, du wirst sie nicht
bekommen!
    Meine Faust landete schmetternd in
seinem Gesicht und ich hörte, wie seine Knochen sich verformten.
    Du wirst sie nicht bekommen!
    Benommen torkelte er zur Seite und
hielt sich keuchend das Gesicht. Ich rappelte mich auf. Meine Beine waren
weich, wollten mein Gewicht kaum tragen.
    Aber er würde sie nicht bekommen!
    Wie ein Automatismus schnellten meine
Hände nach vorn, umfassten seinen Kopf.
    »Du wirst sie nicht kriegen!
Niemanden mehr!«
    Ich sah die Überraschung in seinen
Augen. Das Knacken seines Genicks schallte noch in meinen Ohren, während sein
Körper zusammensackte und meinen Händen

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