Schatten der Liebe
und begann, die darin enthaltenen Papiere zu studieren.
Er spürte, daß sie ihn beobachtete, blickte auf und sah, daß sie überrascht seine Brille anstarrte. »Überanstrengung der Augen«, erklärte er leichthin, dann senkte er wieder den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit dem Dokument zu.
Meredith bewunderte seine Fähigkeit, sich umgehend und völlig auf etwas konzentrieren zu können. Heute abend gelang ihr das nicht. Sie starrte in das offene Feuer und dachte über das nach, was Sam Green ihr erzählt hatte. Von dort wanderten ihre Gedanken zu der Bombendrohung in der New Orleans-Filiale, dem Problem mit Gordon Mitchell und dem gestrigen Anruf von Parker, der ihr mitgeteilt hatte, daß er einen anderen Geldgeber für den geplanten Landkauf in Houston suchen müsse. All das ging ihr im Kopf herum, und so vergingen fünfzehn Minuten, zwanzig, eine halbe Stunde.
Matts Stimme riß sie aus ihren Überlegungen. »Möchtest du darüber sprechen?«
Sie fuhr herum und sah, daß er sie beobachtete. Der Vertrag, in den er vertieft gewesen war, lag unbeachtet auf seinem Schoß. »Nein«, sagte sie automatisch. »Es ist wahrscheinlich auch gar nichts. Wenigstens nichts, was dich auch nur im mindesten interessieren würde.«
»Warum läßt du es nicht darauf ankommen?« bot er ihr in demselben beruhigenden Tonfall an.
Er wirkte so kompetent, so entschlußkräftig und unbesiegbar, daß Meredith beschloß, sein Angebot anzunehmen. Sie lehnte den Kopf an den Rücken ihres Sessels und schloß kurz die Augen. Ihre Stimme aber klang unsicher. »Ich habe ein ganz seltsames - denkbar schlechtes - Gefühl«, gestand sie, hob den Kopf und blickte ihm offen in die Augen, »daß irgend etwas vor sich geht oder passieren wird. Und was immer es ist, es ist ganz furchtbar.«
»Kannst du die Ursache deiner Unruhe ausmachen?«
»Ich hatte erwartet, daß du über das, was ich eben gesagt habe, lachst«, gestand sie.
»Es ist überhaupt nicht zum Lachen, wenn du tatsächlich etwas ahnst, das du zunächst nur unbewußt registrierst. Instinkt ist etwas sehr Wichtiges, das man auf gar keinen Fall unterschätzen sollte. Andererseits könnte dein Gefühl auch streßbedingt sein oder vielleicht mit meiner Rückkehr in dein Leben in Verbindung stehen.«
Sie zuckte zusammen, schüttelte dann aber den Kopf, weil dies nicht der Grund für ihre momentane Unruhe war. »Ich glaube nicht, daß es streßbedingt ist oder mit dir zusammenhängt. Aber irgendwie kann ich einfach nicht genau sagen, was mich irritiert.«
»Versuch dich zu erinnern, wann es angefangen hat -wann genau du es zum ersten Mal gefühlt hast. Ich meine nicht, wann du zum ersten Mal darüber nachgedacht hast, sondern früher, bei welcher Gelegenheit du plötzlich das Gefühl hattest, daß etwas nicht stimmt, daß etwas dich ein wenig verwirrt oder ...«
Seine letzten Worte führten sie zu dem Moment zurück, in dem ihr Vater ihr gesagt hatte, daß sie Interimspräsident werden würde, aber nur, weil Gordon Mitchell den Posten abgelehnt habe. Sie erzählte Matt davon, er erwog es und sagte dann: »Okay. Gut. Das war dein Instinkt, der dich gewarnt hat, weil Mitchell nicht so reagiert hat, wie man es erwarten sollte. Dein Instinkt hat dich nicht getäuscht. Du siehst ja, was inzwischen passiert ist: Er ist ein Geschäftsführer geworden, dem du nicht vertrauen kannst, einer, der vermutlich Schmiergelder annimmt. Darüber hinaus widerspricht er dir vor den Augen der ganzen Geschäftsleitung.«
»Du gibst sehr viel auf deinen Instinkt, nicht wahr?« fragte sie erstaunt.
»Du hast keine Ahnung«, sagte er wahrheitsgemäß, »wie viel ich darauf gebe.«
Meredith dachte nochmals über alles nach und sagte schließlich: »Die Ursache für meine Angst vor einem bevorstehenden Desaster ist wahrscheinlich gar nicht so schwer zu finden. Erstens hatten wir a Montag eine Bombendrohung in dem Geschäft in New Orleans. Das ist unsere jüngste Filiale, und die Einnahmen decken gerade erst die Ausgaben. Ich habe persönlich für die Kredite gebürgt. Wenn New Orleans anfängt, Verlust zu machen, werden die Einnahmen aus den anderen Häusern das natürlich abdecken.«
»Warum machst du dir dann Sorgen?«
»Weil«, sie seufzte, »wir so schnell expandiert haben, daß unser Schuldenberg immens hoch ist. Uns blieb keine Wahl - Bancroft's mußte auf Expansionskurs gehen, um mit den anderen großen Warenhausketten konkurrieren zu können; andernfalls wären wir sehr bald völlig aus dem Rennen
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