Schatten der Liebe
Vergangene Nacht hatte ihn dieser Gedanke bis in die frühen Morgenstunden hinein wachgehalten. Mit einem kurzen entschuldigenden Blick auf die Männer am Konferenztisch hob Matt den Hörer ab.
»Matt«, sie klang gestreßt, »ich weiß, daß heute dein Abend ist, aber ich habe um fünf noch eine Besprechung, und ich stecke bis zum Hals in Arbeit.«
»Auf die Gefahr hin, unflexibel zu wirken«, sagte er kühl und bitter, »Abmachung ist Abmachung.«
»Ich weiß«, erwiderte sie mit einem erschöpften Seufzer. »Aber ich muß nicht nur länger hierbleiben, sondern auch zu Hause noch arbeiten und morgen früh wieder ins Büro kommen. Ich habe wirklich weder Zeit, groß auszugehen, noch mich mit dir zu streiten«, fügte sie in einem Anflug trockenen Humors hinzu.
Sein Ton ließ erkennen, daß er nicht kompromißbereit war: »Was schlägst du vor?«
»Ich hatte gehofft, daß du mich vielleicht hier abholst, und daß wir dann irgendwo in der Nähe essen gehen. Nichts Besonderes halt.«
Matts Ärger verschwand, aber um ihr nicht einen Präzedenzfall für flüchtige Treffen in aller Öffentlichkeit zu bieten, fügte er freundlich, aber fest hinzu: »In Ordnung. Ich habe selber einen Haufen Arbeit. Ich bringe einen Teil davon mit, und nach dem Essen können wir einen ruhigen, arbeitsamen Abend zusammen verbringen - bei dir oder bei mir?«
Sie zögerte. »Versprichst du mir, daß wir wirklich arbeiten? Ich meine, ich will nicht, daß du ... daß ich ...«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, während sie unsicher verstummte. Offensichtlich hatte sie wirklich dringende Arbeit, und offensichtlich befürchtete sie gleichermaßen, daß er versuchen würde, sie ins Bett zu bekommen. »Wir werden arbeiten«, versprach er.
Ihre Erleichterung machte sich in einem lachenden Seufzer Luft. »Okay. Warum holst du mich nicht gegen sechs hier ab? Gleich gegenüber ist ein recht gutes Lokal. Danach können wir zu mir fahren.«
»In Ordnung«, sagte er, gerne bereit, seinen Terminplan dem ihren anzupassen, solange sie nicht versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen.
Nachdem er sich abends mühsam seinen Weg durch die Käufermassen gebahnt hatte, die um sechs Uhr das Erdgeschoß des Kaufhauses bevölkerten, um ihre Weihnachtsbesorgungen zu tätigen, atmete Matt erleichtert auf, als er in Merediths Etage aus dem Lift stieg und von relativer Ruhe umgeben war. Rechts im Flur machten zwei Sekretärinnen Überstunden, aber die Empfangsdame und alle anderen waren bereits nach Hause gegangen. Am anderen Ende des teppichbelegten Ganges stand die Tür von Merediths Büro offen, und er sah, daß eine Reihe von Leuten bei ihr war. Der Schreibtisch ihrer Sekretärin war aufgeräumt, der Computer abgeschaltet, und so zog Matt seinen Mantel aus und setzte sich, anstatt im Empfangsbereich zu warten, auf die Ecke von Phyllis' Schreibtisch und freute sich über diese unerwartete Gelegenheit, zuzusehen, wie Meredith arbeitete und welche Dinge ihren Tagesablauf bestimmten. Alles, was sie betraf, faszinierte ihn. Hatte ihn schon immer fasziniert.
Ohne Matts Ankunft bemerkt zu haben, ging Meredith mit jedem der Geschäftsführer die entsprechenden Bereiche durch. Ruhig und sachlich gab sie Anweisungen, hielt mit anerkennenden Worten nicht zurück, gab einige male aber auch ihrer Unzufriedenheit Ausdruck.
Zufrieden, alle Tagesordnungspunkte abgehandelt zu haben, sah Meredith sich nach einer Viertelstunde in der Runde um und lächelte warm. »Das dürfte soweit alles sein. Wir sind dabei, das Grundstück für das Projekt in Houston zu kaufen, und hoffen, im Juni mit den Bauarbeiten anfangen zu können. Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende.«
Als die Geschäftsführer sich erhoben, ging Matt zu einem Sofa im Empfangsbereich und nahm eine Zeitschrift zur Hand, als ob er darin gelesen hätte. Er war so verdammt stolz auf sie, auf die Art, wie sie die Sitzung geleitet hatte, daß er sich das Grinsen nicht verbeißen konnte. Das einzige, was ihm nicht gefallen und ihn nicht beeindruckt hatte, war, wie sie mit einem der Geschäftsführer, Gordon Mitchell, umgegangen war. Er hatte sich sehr aufsässig verhalten, und Matts Ansicht nach wäre ein härteres Vorgehen angebracht gewesen, um ihn hier und jetzt in seine Schranken zu weisen. Die Vizepräsidenten verließen nach und nach Merediths Büro und gingen, sich voneinander verabschiedend, ohne weiter auf Matt zu achten an ihm vorbei. Matt legte die Zeitschrift beiseite und kehrte zu Merediths
Weitere Kostenlose Bücher