Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
unterdrückten Empfindungen mit Hochdruck wieder viel zu deutlich in mein Bewusstsein katapultiert. Verdammte Scheiße. Einzig Holger sollte in der Lage sein, solche Gefühle bei mir auszulösen.
Kapitel 4
Meine überstürzte Flucht hat mich dadurch schließlich beinahe an jeden Platz und zu jeder Ecke getrieben, an denen ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht habe und bin letztendlich wie automatisiert irgendwie wieder in der Wohnung von meiner Oma gelandet, wo ich verzweifelt versucht habe, die ganzen Emotionen, die bei dem Aufeinandertreffen mit meinen früheren Freunden so haltlos über mir hereingebrochen sind, zu verarbeiten, worüber ich scheinbar eingeschlafen sein muss. Auf dem wahnsinnig unbequemen Sofa meiner Oma, was seine besten Jahre eindeutig hinter sich hat, dazu in einer nicht gerade entspannten Position. Halb liegend, halb sitzend, konnte sich mein Körper offenbar nicht wirklich entscheiden, was ihm lieber war. Dementsprechend fit fühle ich mich und habe sogar den zwingenden Wunsch, mich einfach gleich im Krankenhaus direkt neben meine Oma zu legen. Irgendeine körperliche Unpässlichkeit wird sich schon finden, die einen Aufenthalt in der Klinik rechtfertigt.
Allerdings verwerfe ich den Gedanken schneller als er gekommen ist, als ich eine knappe Stunde später in das Krankenhaus gehe, weil allein der Geruch von Desinfektionsmitteln und was weiß ich was, der so typisch für Krankenhäuser ist, meinem glücklicherweise leeren Magen eine ausgeprägte Übelkeit bescheinigen, die im Prinzip auch als Grund für eine stationäre Aufnahme dienen könnte.
Doch bereits auf Station zwei hat sich meine Nase an diesen seltsamen Geruch gewöhnt und mein Magen beruhigt sich langsam wieder. Allerdings leider nur solange, bis ich durch die schwere Glastür aus dem Treppenhaus trete und instinktiv mit meiner rechten Hand am Türrahmen Halt suche, weil gerade aus einem der Patientenzimmer mein wahr gewordener Albtraum tritt. Noch atemberaubender als gestern Abend und mit einem Wahnsinnslächeln auf den Lippen, welches schlagartig erstirbt, als er sich in meine Richtung dreht und sich unmittelbar sein stechender Blick, genau wie gestern Abend schon, beinahe schmerzlich in meine Augen brennt.
Aber ebenso hastig wendet er sich wiederum ab und verschwindet in dem Nachbarzimmer, während meine rechte Hand ein heftiger dumpfer Schmerz durchdringt und die Glastür unsanft in meinen Rücken schlägt, was mich augenblicklich wieder in die Realität befördert, die mir höhnisch schmerzhaft klar macht, dass ich gerade wieder ein Paradebeispiel meiner Blödheit abgebe. Der wirkliche Schmerz setzt jedoch erst ein, als ich meine eingeklemmte Hand aus der Tür befreie und somit den Druck von ihr nehme, was mich scharf die Luft einziehen lässt, während ich versuche, den Schmerz mit der linken Hand wieder zu kompensieren. Was logischerweise nicht wirklich gelingt und ich somit einfach die Zähne zusammenbeiße, um endlich das Zimmer meiner Oma zu finden.
Welches offenbar ziemlich am Ende des Ganges liegt und ich natürlich auf dem Weg dorthin mehrmals verfluche, weil ich bei jedem Öffnen einer Tür in meinem Rücken damit rechne, eine kribbelige Gänsehaut zu verspüren, falls Marc wieder aus dem Zimmer heraustritt, in das er eben fast schon geflüchtet ist, was aber ganz sicher nur ein Trugschluss meiner Einbildung war. Oder vielleicht auch reines Wunschdenken, weil dies ja möglicherweise bedeuten könnte, dass er irgendwie sauer auf mich ist. Und das ist ja immerhin ein Zeichen von verletzten Gefühlen. Aber wahrscheinlich hat das ohnehin alles nichts zu bedeuten und ich interpretiere wieder viel zu viel in die zwei kurzen Begegnungen hinein. Vermutlich wird er mich noch nicht einmal erkannt haben und ich habe mir seine Blicke nur eingebildet, weil ich es unbewusst doch ganz gerne hätte, dass er mich irgendwie vermisst hat, als Freund.
Logischerweise bringt mir diese ganze Grübelei natürlich nichts außer noch zusätzlichen Kopfschmerzen, die sich wenigstens in der Intensität mit denen in meiner Hand abwechseln. Oder aber der jeweils stärkere Schmerz lenkt einfach nur für kurze Zeit von dem anderen ab. Wenn es jedenfalls in dem Tempo heute so weitergeht, kann ich das Krankenhaus entweder im Rollstuhl oder bestenfalls gar nicht mehr verlassen. Weshalb ich auch heilfroh bin, endlich das Zimmer meiner Oma zu betreten, nachdem ich den halben Kilometer Flur hinter mir gelassen habe und die hier angestellten
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