Schatten Der Versuchung
wieder aufwachst. Es gefällt mir nämlich gar nicht, wie es mir momentan geht.« Die Leere schien sie bei lebendigem Leib aufzufressen. »Èntölam kuulua, avio päläfertiilam. Ich kann das knacken. So schwer ist es nicht.« Sie presste beide Hände auf ihren schmerzenden Magen.
Ein leises Klopfen an der Tür schreckte sie auf. Natalya fuhr herum und sah sich panisch nach ihren Waffen um. Schon lagen sie in ihren Händen. War es so weit mit ihr gekommen, dass sie unachtsam wurde? Vampire waren vielleicht nicht in der Lage, bei Tageslicht anzugreifen, aber sie waren Meister darin, Menschen zu versklaven und wie Marionetten zu lenken. Und dieser Brent Barstow trieb sich immer noch in der Gegend herum. Sein scheinbar harmloses Auftreten konnte sie nicht täuschen. Der Mann führte nichts Gutes im Schilde, und dadurch gehörte er in Natalyas Augen in dieselbe Kategorie wie Vampire.
»Wer ist da?« Sie stand rechts von der Tür, die entsicherte Pistole in der Hand, den Finger am Abzug. Die Schutzschilde sollten halten, aber sie hielt es für besser, auf alles vorbereitet zu sein. Die Tigerin in ihr erwachte und stattete Natalya mit ihrem unvergleichlichen Geruchssinn aus. Ein Mann und eine Frau, kein Schweiß als Anzeichen von Furcht oder Gefahr, doch Natalya blieb dennoch auf der Hut.
»Jubal und Gabrielle Sanders, Ma'am. Ihr Gefährte hat uns zu Ihrem Schutz hierher geschickt.«
Natalya lehnte sich an die Wand und machte ihrem Zorn mit einem lang gezogenen Zischen Luft. Es war idiotisch, die beiden hierher zu schicken, Vikirnoff. Du weißt verdammt gut, dass ich versuchen werde, auf sie aufzupassen, nicht umgekehrt. Er konnte sie nicht hören, aber es bereitete ihr trotzdem Genugtuung, es auszusprechen. »Schönen Dank, doch ich habe Vikirnoff gesagt, dass ich keinen Babysitter brauche. Der Mann bildet sich nämlich ein, er würde mir fehlen.«
»Ma'am, wir können nicht gut hier draußen im Flur stehen und uns durch die Tür unterhalten.« Kurzes Schweigen folgte. »Okay, können wir schon, aber es würde irgendwann Aufmerksamkeit erregen.«
»Sie könnten einfach wieder gehen«, schlug Natalya hoffnungsvoll vor.
»Wir haben unseren Befehl vom Prinzen, Ma'am. Wir können nicht gehen.«
»Wenn Sie mich noch einmal Ma'am nennen, erschieße ich Sie womöglich einfach durch die Tür«, warnte Natalya. Sie seufzte. »Einen Moment.« Es dauerte einige Minuten, die Sicherheitsbarrieren vor der Tür zu entfernen. Natalya trat zur Seite und zielte mit ihrer Pistole genau auf die Tür. »Herein!«
Der Mann kam zuerst herein. Er war groß und kräftig gebaut, mit breiten Schultern und dunklem, welligem Haar. Er grinste sie an, hob beide Hände und trat beiseite, um die Frau hereinzulassen. Natalya fiel auf, dass er sich zwischen ihre Pistole und seine Begleiterin stellte. »Das ist meine Schwester Gabrielle. Ich bin Jubal Sanders. Wir sind so etwas wie angeheiratete menschliche Verwandte von Traian.«
Gabrielle schloss die Tür und schob den Riegel vor. »Slavica, die Wirtin, und ihr Mann können für uns bürgen. Slavica und ihre Tochter helfen uns manchmal, auf die Kinder von Sara und Falcon aufzupassen. Die Kinder sind Menschen, deshalb können sie nicht unter der Erde ruhen und brauchen bei Tageslicht Betreuung .«
»Slavica braucht nicht für Sie zu bürgen, ich kann Ihre Gedanken lesen.« Das war eine glatte Lüge. Die Geschwister hatten sehr starke geistige Barrieren, Schutzschilde, bei deren Errichtung Falcon oder der Prinz geholfen hatten, wie Natalya vermutete.
Jubals Grinsen vertiefte sich, als wüsste er, dass sie schwindelte. »Erschießen Sie uns jetzt, oder was? Ich komme mir allmählich wie in einem dieser Gangster-Filme vor.«
»Ich überlege noch«, sagte Natalya. »Ich habe heute noch niemanden getötet, und das soll nicht zur Gewohnheit werden. Ich muss in Übung bleiben.«
»Verraten Sie uns zumindest, wer Sie sind, bevor Sie mich abknallen«, meinte Jubal und sah sich im Zimmer um. Seine Augenbrauen fuhren hoch.
Natalya folgte seinem Blick zu den versengten Stellen an Wänden, Decke und Fußboden und den rußgeschwärzten Pappstücken, die überall herumlagen. »Natalya Shonski.« Sie sicherte ihre Pistole und zeigte auf die Sessel. »Danke, dass Sie gekommen sind, doch mir geht es bestens. Ich breche nicht so schnell zusammen.« Langsam, aber sicher entwickelte sie sich zu einer erstklassigen Lügnerin. Sie fühlte sich innerlich wie zerrissen von Schmerzen, und in ihre Kehle schien sich
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