Schatten Der Versuchung
Vikirnoff das Bild des Nebels aus ihrem Bewusstsein löschte, hatte sie ihre natürliche Gestalt zurück und fand sich auf einem Baum sitzend wieder. Aus schmalen Augen beobachtete sie Vikirnoff, wobei sie versuchte, sich weder von seinem anziehenden Gesicht noch von dem Blut, das er ihretwegen vergossen hatte, von der dringlichen Frage ablenken zu lassen, wer er wirklich war und was er von ihr wollte.
Achtung! Pass auf, was du tust!
Ein Messer streifte ihren Arm und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Henrik, der unter dem Baum stand und sie mit Mordlust in den Augen anstarrte. »Freddie, mein Junge, kannst du mir nicht einfach den Gefallen tun und sterben?« Natalya kauerte sich auf den Ast und starrte den blutverschmierten Vampir angewidert an. »Du bist wie die kleine Maschine, die immerzu kann und kann, mit dem einzigen Unterschied, dass du nicht kannst.« Hör auf, mich abzulenken!
Ich kenne deinen Namen, weil du meine Gefährtin des Lebens bist. Seine schöne, sanfte Gefährtin, die angeblich an seinen Lippen hängen und nur dafür leben sollte, ihn glücklich zu machen. Vikirnoff runzelte die Stirn und warf ihr einen leicht tadelnden Blick zu. Natalya zeigte weder Respekt noch Gehorsam oder irgendeine andere der Eigenschaften, die er bei ihr erwartet hatte.
Was? Bist du total durchgeknallt? Wenn du dir einbildest, dass wir beide eine Nummer schieben, musst du völlig den Verstand verloren haben.
Eine Nummer schieben?, wiederholte Vikirnoff schockiert. Er musste sich verhört haben. Er wusste so gut wie nichts über Frauen, aber Natalya war nicht, was er sich gewünscht oder erträumt hatte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie mochte. Schon gar nicht konnte er sich mit ihr ein friedliches Leben vorstellen. Vikirnoff fuhr herum, als sich ein Schatten von den Bäumen löste und Arturo auf ihn zugeschlendert kam.
Auf deine Meinung lege ich keinen Wert. Ich fasse es nicht, dass du tatsächlich so dickköpfig bist und hierbleiben willst, um gegen diese Biester zu kämpfen. Natalya wich dem Messerhagel aus, den Henrik auf sie abfeuerte. »Meine eigenen Waffen gegen mich zu verwenden, ist aber gar nicht nett von dir, Freddie«, tadelte sie ihn.
Eine Klinge steckte in dem Ast, auf dem sie saß, doch sie kletterte schnell höher in den Baum hinauf und benutzte das dichte Laubdach als Schutzschild.
Henrik veränderte trotz seiner schweren Wunden seine Gestalt und jagte als Eule durch die Bäume.
Flammen loderten rings um die Eule auf und schnitten ihm in jeder Richtung den Weg ab, sodass der Vampir gezwungen war, seine Versuche, an Natalya heranzukommen, aufzugeben. Er verfolgte die Quelle der Macht bis zu Vikirnoff zurück, ließ sich auf den Boden fallen und drehte sich mit gefletschten Zähnen zu dem Jäger um.
»Eins muss man dir lassen, Freddie, du hast echte Steher-Qualitäten. Eine schätzenswerte Eigenschaft bei einem Mann, aber ziemlich lästig bei Vampiren.« Natalya kletterte wieder ein Stück nach unten, sorgfältig darauf bedacht, dem Boden nicht zu nahe zu kommen, aber fest entschlossen, Henriks Aufmerksamkeit und Groll auf sich zu lenken. Der Jäger hatte dank des ersten Angriffs sehr viel Blut verloren, und das war zum Teil ihre Schuld.
Ich brauche deine Hilfe nicht. Natalya formulierte ihren Protest so nachdrücklich, wie sie es wagte. Ihr Mitstreiter schien nicht gewillt, sie an dem Kampf teilhaben zu lassen, doch sie konnte sich trotzdem nicht dazu entschließen, von hier zu verschwinden, obwohl sie wusste, dass es reiner Wahnsinn war, gegen so viele Gegner anzutreten. Du hast hoffentlich nicht den Trollkönig vergessen, bloß weil er sich im Moment erstaunlich ruhig verhält. Er ist immer noch da und lauert nur darauf, bei der ersten Gelegenheit etwas richtig Gemeines zu machen.
Die Sorge um das, was unter uns ist, kannst du mir überlassen.
Oh, das hätte ich fast vergessen! Nachdem jetzt ein großer, starker Mann hier ist, muss ich das arme, hilflose Frauchen sein, das keine eigenen Entscheidungen treffen kann. Natalya schnaubte abfällig. Wir hätten uns davonmachen sollen, solange wir Gelegenheit dazu hatten.
Vikirnoff erkannte, dass sie böse auf sich selbst war. Sie wollte fort von hier. Jeder Instinkt, ihr ganzer Selbsterhaltungstrieb drängte sie zum Gehen, aber die Bindung an ihren Gefährten, der noch dazu schwer verletzt war, hinderte sie daran. Sie begriff nicht, warum er solche Macht über sie hatte, und die Tatsache, ihn nicht einfach zurücklassen zu können, machte sie
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