Schatten Der Versuchung
»Siehst du diese Steine gleich da drüben? Die kleinen Dinger? Fällt dir nicht irgendetwas auf?«
Natalya lehnte sich so weit zur Seite, dass sie beinahe vom Felsen fiel. Vikirnoff stützte sie mit einer Hand. »Sie sind zu einem Muster angeordnet, aber ...« Sie verstummte.
»Aber es wirkt unnatürlich«, beendete er den Satz für sie.
»Pass auf das Ding auf!« Sie zeigte auf den wogenden Boden. »Ich glaube, die Steine müssen in einer anderen Reihenfolge angeordnet werden. Eher so ...« Vorsichtig auf dem Felsvorsprung balancierend, streckte sie einen Arm aus und tauschte einen Stein gegen einen anderen aus. Sie runzelte frustriert die Stirn, schüttelte den Kopf und sprang vom Felsen, um sich neben die kleineren Gesteinsbrocken zu kauern. »Das ist es, Vikirnoff. Das ist der Weg zum Eingang. Ich muss die Steine bloß in der richtigen Reihenfolge arrangieren.«
Vikirnoff hockte sich dicht neben sie, um sie notfalls mit seinem Körper abzuschirmen. Er behielt den brodelnden, immer dichter werdenden Nebel ebenso scharf im Auge wie den Boden.
»Ich hab's!« Natalya legte sichtlich befriedigt den letzten Stein hin.
Der Boden neben ihrer Hand sprudelte in die Luft wie ein kleiner Geysir. Ein übel riechendes, aalähnliches Tier mit spitzen Zähnen stürzte sich mit einem schrillen Schrei direkt auf ihre Finger. Vikirnoff erwischte die Schlange am Nacken und zog den zappelnden Körper von Natalya weg. Die Zähne des Tiers schnappten mehrmals zu, und der Körper warf sich in wilden Zuckungen hin und her, um an Natalya heranzukommen.
»Pass auf!«, warnte Vikirnoff sie, als der Boden rund um Natalya an mehreren Stellen aufbrach und aus allen Richtungen schlangenartige Wesen aus den Löchern schossen. »Spring!« Er schleuderte die erste Schlange weg und hob seine Hände zum Himmel. Ein Blitz fuhr durch die Nebelschwaden und tauchte die Ränder in feuriges Rot.
Natalya war es egal, dass sein »Spring« nicht nur mit einem Befehl, sondern auch mit einem starken Zwang unterlegt war. Sie katapultierte sich mit einem Salto auf den Felsvorsprung und starrte die zuckenden Kreaturen an. »Ich verabscheue Schlangen. Ich verabscheue sie zutiefst!«
Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel, schlug wie ein Peitschenhieb ein und versengte in einem kleinen Umkreis den gesamten Boden. Die widerwärtigen Kreaturen verbrannten zu Asche, und ein beißender Gestank erhob sich. Die geschwärzten, spitzen Zähne klapperten, als wären sie lebendig, bevor auch sie zu Staub zerfielen.
Natalya presste eine Hand auf ihren Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. »Das war einfach eklig! Total widerlich. Lass diese Dinger bloß nie wieder in meine Nähe!«
Vikirnoff sah sie einen Moment lang forschend an, bis ihm klar wurde, dass sie es ernst meinte. Sofort nahm er sie in seine Arme und hob sie vom Felsen. »Du zitterst ja.« Er zog sie eng an sich und schloss beide Arme um sie, um sie zu trösten. »Du hattest doch nicht wirklich Angst vor diesen Kreaturen, oder?«
»Ich hasse Schlangen.« Natalya schmiegte sich an ihn, während sie versuchte, wieder fest auf den Beinen zu stehen. »Ich hatte schon immer eine irrationale Angst vor ihnen.«
»Du tötest Vampire und zerstörst Schattenkrieger. Du zuckst mit keiner Wimper, wenn du einem Feind gegenüberstehst.« Er nahm ihr Kinn in seine Hand und neigte den Kopf. »Du bist voller Überraschungen.«
Sie legte eine Hand an seine Brust, als wollte sie ihn wegstoßen. »Und bei Weitem nicht alle sind angenehm. Denk lieber daran, wie sehr ich dir auf die Nerven gehe.« Sie konnte sich eine Ablenkung nicht leisten. Und Vikirnoff war eine sehr große Ablenkung. »Und wir sind in tödlicher Gefahr. Ich weigere mich, wie ein klotzdoofer Teenager zu knutschen, wenn vielleicht diese Schlangen zurückkommen.«
Vikirnoff rührte sich nicht von der Stelle. Seine Haut berührte ihre Haut, und sein Körper wärmte sie. »Das hatte ich vergessen.« Sein Lächeln war so träge und sinnlich, dass ihr der Atem stockte. »Völlig.«
Sie blickte ihn stirnrunzelnd an. »Wir stecken hier mitten in einer Belagerung. Diesmal waren diese Viecher hinter mir her, nicht hinter dir.«
»Das ist mir nicht entgangen. Warum wohl, was meinst du?« Widerstrebend ließ er sie los und begutachtete den Spalt im Felsen, der sich beträchtlich erweitert hatte. »Wir werden ein bisschen hin und her manövrieren müssen, um dort durchzuschlüpfen.«
Natalya hob ihren Rucksack auf und überprüfte ihre Waffen, wobei sie es
Weitere Kostenlose Bücher