Schatten Der Versuchung
sind? Diejenigen, die den Vampir getötet haben?« Sie zeigte auf eine Wand aus massivem Eis. »Ich will nämlich dorthin.«
Vikirnoff untersuchte die Wand. »Ein Karpatianer hat hinter ihnen eine Gleitröhre verschlossen. Ich kann die Macht, die er ausgeübt hat, noch spüren.«
»Kannst du die Röhre öffnen?«
Er begutachtete die bläulich schimmernde Eiswand. »Ja.«
Seine Stimme klang grimmig. Er spürte das Gewicht der Eismassen über ihnen und die Bedrohung durch ihre Feinde, die immer näher kamen, aber mehr als alles andere belastete ihn die Gewissheit, dass sie im Begriff waren, an einen weit schlimmeren Ort als diesen zu gehen. Der Drang, seine Gefährtin zu beschützen, setzte ihm zu, und er zögerte. Er legte sogar seine Finger um ihr Handgelenk, als wollte er sie zurückhalten.
Natalya schüttelte den Kopf. »Ich habe wirklich keine andere Wahl, Vikirnoff.«
Mit einem leisen Fluch fand er die ursprüngliche Öffnung zu der Gleitröhre, die in die unteren Kavernen führte, und befahl dem Eis, sich seinem Willen zu beugen. Selbst in der Höhle des dunklen Magiers konnte er über die Elemente gebieten. Das Eis verschob sich und öffnete sich zu einem schmalen, abschüssigen Tunnel.
»Danke«, sagte Natalya. Sie fand keine Worte, um auszudrücken, wie dankbar sie war, dass er keinen Streit anfing. In ihrem Inneren schrillten die gleichen Alarmglocken wie bei ihm, und sie spürte, dass er gezwungen war, gegen uralte Instinkte anzukämpfen. Sein Drang, sie zu beschützen, erlaubte ihm einfach nicht, sie in Gefahr schweben zu sehen, ohne sie abzuschirmen. Und sie wusste nicht, wie sie es ohne ihn durch das Eis in die unteren Kammern geschafft hätte.
»Wir gehen zusammen hinein«, erklärte er.
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, um ihn davor zu warnen, wieder mit dem Herumkommandieren anzufangen, hatte aber nicht das Mindeste dagegen, als er sie schützend in seine warmen Arme nahm und in die Kälte der Eisröhre stieg. Vikirnoff stieß sich ab, und sie rutschten immer schneller auf der langen, spiralenförmigen Röhre tiefer in eine aus blauem und kristallklarem Eis erstarrte Welt hinunter. Vikirnoffs Arme bewahrten Natalya vor Eissplittern und großen, gezackten Kristallzapfen, die über ihren Köpfen hingen. Es war atemberaubend schön und gleichzeitig sehr erschreckend, weil sie wusste, dass diese Formationen keinen natürlichen Ursprung hatten.
Natalya war ein bisschen schwindelig, als sie unten ankamen, und sie stützte sich auf Vikirnoff, bis sie sicher war, dass ihre Beine sie tragen würden. In dem schmalen Gang aus blankem Eis konnten sie beide aufrecht stehen, ohne befürchten zu müssen, mit den Köpfen an die Decke zu stoßen.
»Alles in Ordnung?« Vikirnoff hielt sie im Arm, bis ihre Beine nicht mehr zitterten.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich ganz komisch. Verängstigt. Normalerweise habe ich nicht ständig Angst. Mein Herz klopft so laut, dass es mir in den Ohren wehtut. Und mir ist speiübel. Und schlimmer noch« – sie blickte zu ihm auf, während sie eine Hand links unten auf ihren Bauch legte – »der Drachen brennt. Ein Vampir ist in der Nähe.«
»Vor uns oder hinter uns?« Er überprüfte die Umgebung, so wie er es ständig tat, seit sie die Eishöhlen betreten hatten, und stellte betroffen fest, dass er den Vampir nicht ausmachen konnte. Und das bedeutete, dass es nicht Arturo war. Der könnte seine Anwesenheit nicht vor dem Jäger verbergen. Vikirnoff sprach ein stummes Gebet, dass er es in seinem geschwächten Zustand nicht mit einem Meistervampir aufnehmen müsste.
»Ich weiß es nicht.« Sie setzte sich in Bewegung und lief den Gang hinunter.
Er endete abrupt vor einem tiefen Abgrund. Vikirnoff hielt Natalya gerade noch fest, bevor sie über die Kante stürzte, und drückte sie an sich. »Das war knapp.«
Natalya starrte auf die Eisbrücke, die einladend glitzerte. Das Gebilde bestand aus Eis und Stein, war sehr schmal und an mehreren Stellen durchlöchert und schien der einzige Weg auf die andere Seite zu sein. Sie runzelte die Stirn und zeigte auf die klaffenden Löcher. »Ich setze keinen Fuß auf dieses Ding.« Sie grinste ihn an. »Ich wusste, dass du noch von Nutzen sein würdest.«
»Erwartest du etwa von mir, dass ich dich trage?« Er zog eine Augenbraue hoch.
»Allerdings. Wir gehen auf die andere Seite.«
Vikirnoff nahm sie in seine Arme und hob sie hoch. Natalya wünschte, es würde sich unpersönlich anfühlen, aber seine Berührung
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