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Schatten Der Versuchung

Titel: Schatten Der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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aber er hörte im Geist ihren Protest. Nein! Du darfst mich nicht anfassen. Es verschlingt mich. Wenn es dich auch noch festhält, gibt es für mich keinen Weg zurück.
    Inständig fluchend ließ er die Hände sinken. Es kostete ihn alles, was er an Selbstbeherrschung besaß, Natalya nicht in seine Arme zu reißen. Indem er tief einatmete und das ständige Geräusch des Wassers ignorierte, das laut in der Höhle dröhnte und widerhallte, konzentrierte er sich darauf, Natalya Halt zu geben.
    Ich kann es nicht. Es brennt, Vikirnoff! Ich kann vor Schmerzen nicht mehr denken.
    Er spürte die furchtbaren Schmerzen, die ihren Körper peinigten, das Verrenken ihrer Knochen und Sehnen, als die Kugel sie aus der Welt riss, die sie bewohnte, und in das wirbelnde Zentrum des Kristalls zog. Mit zusammengebissenen Zähnen nahm er so viel wie möglich von ihren Schmerzen auf sich. Sofort schwitzte seine Haut Blut, das ihm von der Stirn in die Augen tropfte. In dir ist das Erbe der Karpatianer ebenso stark wie das der Magier. Du gebietest über Erde und Luft, und du bist ungewöhnlich stark. Nimm, was du dir holen wolltest, und sieh zu, dass du wegkommst !
    Natalya holte tief Luft, als die Schmerzen nachließen. Es waren die Zuversicht in seiner Stimme und die Achtung, die er ihr erwies, die ihr halfen, ihre Körperlichkeit zu überwinden und auf das Wissen der Magier zurückzugreifen. Ihr Körper war nichts, eine Hülle, mehr nicht. Ihr Geist war stärker als die Wirbelwinde, die an ihrem Fleisch zerrten. Sie wuchs über den Schmerz und das Grauen hinaus und fand in ihrem Inneren eine Quelle der Kraft.
    Farben wirbelten in einer Welt in tiefem Mitternachtsblau um sie herum, funkelnde Sterne, Lichtstreifen, die wie Kometen über den Himmel rasten. Galaxien und Sternensysteme schossen mit schwindelerregender Geschwindigkeit an ihr vorbei, trafen kurz aufeinander, um gleich darauf in einem Sternenschauer zu zerbersten. Natalya schaute wie gebannt zu, voller Staunen und Ehrfurcht. Sie wusste, dass diese Richtung in die Zukunft wies. Sie könnte einen Faden finden, einen, der zu ihr gehörte, und dem Weg folgen, um zu erfahren, was auf sie wartete. Die Versuchung war groß. Was sie sah, war berauschend schön und eindrucksvoll, und der Gedanke, die Zukunft zu kennen, war nahezu unwiderstehlich.
    Immer wieder zuckten grelle Blitze wie Neonlichter über den nachtblauen Himmel. Natalya erkannte, dass ihr Bewusstsein wie von dünnen, im Zickzack verlaufenden Fäden unaufhaltsam in diese Richtung gezogen wurde, und wehrte sich mit ihrer ganzen Willenskraft dagegen. Sofort wurde die Kraft, die sie anzog, stärker; sie zerrte an ihr und lockte sie mit flüchtigen Einblicken in ihre Zukunft. Natalya weigerte sich hartnäckig, in diese Richtung zu schauen, weil sie instinktiv spürte, dass sie vielleicht nicht mehr zurückfand, wenn sie das Reich der Zukunft erst einmal erreicht hatte. Und was sie suchte, konnte unmöglich in dieser Richtung liegen.
    Der Wind ließ bunte Perlenschnüre um sie herumwirbeln. Eine von ihnen zog wegen ihrer ungewöhnlichen Farbe Nata-lyas Blick auf sich. Es waren dieselben wolkigen Schattierungen, die in ihren Augen glitzerten, wenn die Tigerin in ihr erwachte. Sie betrachtete sie, während sie gegen die Kraft des Winds ankämpfte. Ihr Vater hatte ihre Augen oft mit Seeperlen verglichen.
    Natalya streckte eine Hand nach dem Strang aus, dessen Farbe ihren Tigeraugen ähnelte. Ein gewaltiger Strudel packte sie und sog sie in die wirbelnde Masse. Natalya hielt die Perlenschnur fest umklammert, während sie sich gleichzeitig genauso fest an die Verbindung zu Vikirnoff klammerte. Er war ihr Halt, und wohin ihr Geist auch ging, er war bei ihr und wachte über ihren Körper.
    Kampfszenen rasten an ihr vorbei, dunkle, hässliche Bilder von Blut und Tod. Natalya weinte vor Trauer über das sinnlose Sterben, wenn Männer für Gott oder Vaterland oder um die Macht kämpften, und versuchte, nicht noch weiter in das Vakuum der Vergangenheit hineinzugleiten. Kleine schwarze Schatten umzingelten sie, als wollten sie ihren Geist angreifen. Die klagenden Stimmen der Magier, deren Seelen im endlosen Kreislauf der Vergangenheit eingesperrt waren, waren zu vernehmen. Sie klangen warnend und kummervoll zugleich.
    Natalya hätte in dem furchtbaren Schmerz, den es mit sich brachte, immer wieder dem Tod zu begegnen und immer wieder dieselben Fehler der Vergangenheit zu sehen, untergehen können, doch Vikirnoff war ständig bei ihr,

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