Schatten der Wahrheit
Krieger auf dem Aussichtsdeck versammelt. Unter den Stahlwölfen verbreiteten sich Gerüchte ebenso schnell wie überall sonst, und inzwischen wusste vermutlich auch der Letzte an Bord der Station, was geschehen war.
Niemand sprach Murchison an. Er war schließlich der Leibeigene des Galaxiscommanders, und was immer er tat, es war ihre Sache, nicht die der Besatzung.
Er fand das Seil, eine neben einem der Rettungsringe an einem Haken hängende Nylonseilrolle, und brachte es Anastasia. Als sie ihn kommen sah, bückte sie sich, packte den Rand des Lakens mit beiden Händen und riss. Darwins Leiche rollte aufs Deck.
»Binde es um seine Füße«, ordnete sie an.
Ihre Stimme war nicht sonderlich laut, aber trotzdem hallte sie wie eine Glocke durch die Stille. Die Stahlwölfe auf dem Aussichtsdeck sahen und hörten nichts außer ihr, und sie schenkte ihnen nicht die geringste Beachtung. Murchison hockte sich neben den Leichnam und wand die Nylonleine zu einer festen Schlinge um Darwins Knöchel. Dann stand er wieder auf und wartete, das Ende des Seils in der Hand.
Anastasia sagte: »Befestige das andere Ende an der Reling.«
Ihre Stimme blieb unverändert, ihre Miene war eine reglose Maske, und auf ihren Händen trocknete rot und klebrig das Blut. Murchison war hin und her gerissen zwischen einer bis ins Mark dringenden Angst vor ihrer bloßen Gegenwart und der widerwilligen Bewunderung. Gott allein mochte wissen, was die Wölfe bei ihrem Anblick empfanden.
Er band das freie Ende des Seils an die obere Stange des Schutzgeländers, das sich rund um die offene Plattform zog, und trat zurück.
»Gut«, erklärte sie. Dann bückte sie sich mit gebeugten Knien und fasste Darwins Leiche unter den Achseln. »Nimm die Füße.«
Murchison gehorchte. Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Beide standen auf, hoben Darwin vom Boden, und ihr Blick zur Reling genügte. Sie hielten Darwin zwischen sich, hoben ihn auf Schulterhöhe, um ihn über das Geländer zu bekommen, dann warfen sie ihn hinüber. Die Leine entrollte sich zischend und spannte sich mit einem knallenden Ruck.
»Niemand verkauft die Wölfe und lebt lange genug, um das Geld auszugeben, dass er dafür bekommt«, verkündete Anastasia Kerensky. »Niemand.«
Sie stand an der Reling, hatte ihren versammelten Kriegern den Rücken zugekehrt. Sie starrte hinaus aufs Meer und hielt das Metall mit blutverschmierten Händen umklammert. Lange herrschte Schweigen. Die Krieger warteten auf den Befehl, an ihre Posten zurückzukehren, und sie sagte nichts.
Dann sah Murchison, wie ihre Augen groß wurden. Jetzt sah sie etwas, blickte nicht mehr nur mit leeren Augen zum Horizont. Er folgte ihrem Blick.
Ein Punkt. Nein, zwei Punkte, die sich schnell über den Himmel bewegten und allmählich größer wurden. Einer von ihnen folgte dem anderen. Flugzeuge.
Anastasia Kerensky sprach, jetzt hatte ihre Stimme einen anderen Ton, die Schärfe des Handelns statt der Getragenheit eines Urteils. »Wie viele unserer Vögel sind auf Streife? Weiß es jemand?«
»Einer, Galaxiscommander«, antwortete eine Stimme aus der Menge.
»Dann hat man uns entdeckt. Nachricht an den Hubschrauberpiloten: Feuer frei. Verfolger eliminieren, falls möglich.« Sie wirbelte zu den versammelten Wölfen herum. »Noch haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Start der Landungsschiffe und Angriff vorbereiten!«
Februar 3134, Trockenzeit
Brigadegeneral Michael Griffins Einsatzgruppe bewegte sich weiter südwärts auf die Position zu, in der Balac Zwo den Stahlwolf-Hubschrauber entdeckt hatte. Es war gespenstisch still. Außer dem Meer, den sandigen Hügeln und der Staubwolke, die ihre Kolonne aufwirbelte, gab es nichts zu sehen. Trotzdem waren Griffins Muskeln steinhart verkrampft vor Sorge und Tatendrang. Er wollte endlich gegen irgendjemanden kämpfen, die Anspannung lösen, indem er seinen Koshi Tod und Vernichtung austeilen ließ, statt weiter nur gleichmäßig geradeaus zu marschieren, während er den Meldungen von Balac Eins und Zwo lauschte.
»Balac Eins an Leiter. Unser Wolf hält eindeutig Kurs auf die Ölplattform. Balac Zwo folgt ihm.«
Griffin schaltete sich ein. »Leiter an Balac Eins. Weiß der Wolf, dass Balac Zwo ihn verfolgt?«
»Offenbar negativ... Nein. Verdammt. Er beschleunigt.«
»Balac Zwo an Leiter. Er hat mich entdeckt.« »Dranbleiben, Balac Zwo«, befahl Griffin. Seine
Gedanken überschlugen sich. Es bestand eine geringe Chance, dass der unidentifizierte Hubschrauber
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