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Schatten der Wahrheit

Schatten der Wahrheit

Titel: Schatten der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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Adjutanten zu informieren.
    Die Landungsschiffe haben wir nicht gefunden, dachte er begeistert, aber möglicherweise etwas ebenso Wertvolles.
    Februar 3134, Trockenzeit
    Ian Murchison schaute hinaus übers Meer zur Küste Kearnys. Es war nicht seine normale Zeit für einen Aufenthalt auf B-D 47 s Aussichtsdeck: heller Sonnenschein, der auf dem blauen Wasser glitzerte. Und über ihm tanzten am Him mel kreischende Seevögel. Aber heute war selbst unter den derzeitigen Umständen alles andere als ein normaler Tag.
    Es hatte schon damit angefangen, dass Galaxiscommander Anastasia Kerensky ihn zu sich bestellt hatte. Er war hastig aus dem Krankenrevier in ihr Quartier gerannt, wo die Leiche Sterncolonel Nichols Darwins in einem Meer von Blut auf dem Bett lag. Anastasia Kerensky hatte neben dem Bett gestanden, eine schweigende Präsenz in schwarzem Leder.
    Murchison hatte Darwin auf Atmung und Puls überprüft und keines von beiden gefunden. Die Kehle des Clanoffiziers war brutal und gekonnt aufgeschlitzt, und seine Kleidung fesselte die Arme an den Körper, sodass er sich nicht hatte wehren können. »Er ist tot. Ich kann nichts mehr für ihn tun.«
    Anastasia sagte: »Das war auch so beabsichtigt.«
    »Was ist passiert?«
    »Du hattest Recht.«
    Er unterdrückte den Impuls, ihr sein Bedauern auszudrücken. Zunächst machte der Galaxiscommander den Eindruck, als würde sie den Ersten, der das wagte, umbringen. Stattdessen aber fragte er: »Wozu brauchen Sie mich dann noch?«
    »Hilf mir, ihn nach draußen und hinauf zum Aussichtsdeck zu schaffen. Ich will auch den kleinsten Zweifel daran auslöschen, was jeden erwartet, der glaubt, die Stahlwölfe verraten zu können.«
    Warum ausgerechnet ich?, wollte Murchison fragen, doch er war klug genug, es nicht zu tun.
    Er hatte bereits erkannt, dass seine Beziehung zu Anastasia Kerensky als ihr persönlicher Leibeigener über Schattierungen verfügte, die er niemals wirklich verstehen würde, einfach, weil er nicht in der Clankultur aufgewachsen war. Dies schien einer dieser Fälle zu sein. Aber davon abgesehen war er es gewesen, der Anastasias Verdacht auf Nicholas Darwin gelenkt hatte, und er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ihn das auf gewisse Weise für den Tod des Sterncolonels mitverantwortlich machte. Daher war es nur gerecht, dass er auch an den unappetitlichen Folgen beteiligt war.
    Er betrachtete die technischen Aspekte des Problems. Zumindest versuchte niemand, die Leiche zu verstecken... »Die einfachste Methode wäre vermutlich, die Laken einzurollen und ihn zwischen uns zu tragen. Die Bettwäsche ist wohl ohnehin nicht zu retten. Ebenso wenig wie die Matratze.«
    »Es gibt noch andere Betten«, stellte sie knapp fest. »Wickle ihn ein.«
    Gemeinsam hievten sie Leichnam und Laken vom Bett und rollten sie zu einer hässlichen, blutfleckigen Wurst aus Fleisch und blutbesudeltem Stoff zusammen. Murchison hatte aus Gewohnheit ein Paar Latexhandschuhe angezogen, bevor er Darwins Leiche untersuchte - er trug sie ständig in einer Gürteltasche bei sich, zusammen mit einer Verbandsschere und einem Schraubenzieher, etwa so, wie Kerensky und ihre Wölfe ständig ein Messer bei sich hatten. Anastasia aber arbeitete mit bloßen Händen. Warum auch nicht, dachte er. Sie hatte schon Blut an den Händen.
    Er fasste ein Ende des fertigen Bündels und Anastasia das andere. Tot war Darwin eine schwere, sperrige Last. Der Weg zum Aussichtsdeck war nicht weit - den Flur hinunter, einen Quergang entlang, in den Aufzug, hoch und hinaus -, aber zu weit, um unbemerkt zu bleiben. Unterwegs begegneten sie nur einem Menschen, einem Einzelnen aus der großen, anonymen Masse von Stahlwolfkriegern, der sie nur stumm beobachtete. Als sie jedoch mit ihrer Last auf dem Aussichtsdeck eintrafen, erwartete sie bereits eine kleine Menge.
    Anastasia Kerensky beachtete sie überhaupt nicht. Was Murchison betraf, so war er dankbar, dass niemand eine Erklärung von einem Leibeigenen erwar-tete. Der Galaxiscommander ließ ihr Ende des Darwin-Bündels mit einem dumpfen Knall auf den Metallboden des Decks fallen, der MedTech legte seines vorsichtiger ab.
    »Ein Seil«, befahl sie. »Oder eine Kette. Das spielt keine Rolle.«
    Murchison stellte keine Fragen. Er machte sich auf die Suche nach einem Seil und ließ Anastasia über Nicholas Darwins eingewickelter Leiche stehen, während ihr rötlich-schwarzes Haar im kräftigen Wind wie eine blutige schwarze Fahne wehte. Inzwischen hatten sich noch mehr

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