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Schatten Des Dschungels

Schatten Des Dschungels

Titel: Schatten Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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recht meine Zuflucht geworden ist, seit wir vor einem Jahr hierhergezogen sind.
    Ich brauche es einfach, im Wald zu sein. Manchmal setze ich mich ins Gras oder auf einen Felsen und werde ein Teil der Stille, beobachte, nehme einfach alles in mich auf, was ich höre und sehe. Dabei kann ich fast fühlen, wie ich Kraft tanke.
    Doch in Nymphenburg funktioniert das nur mäßig, dort sind überall Schilder in den Boden gerammt, auf denen Trampelpfad – bitte nicht betreten, Bitte Wege nicht verlassen, Radfahren und Radschieben verboten und dergleichen steht. Jedes Mal, wenn ich an einem der Dinger vorbeikomme, zuckt mein rechter Fuß, weil er unbedingt gegen dieses Schild treten will.
    Trotzdem tut es mir gut, mich eine Stunde lang im Park herumzutreiben. Danach schaffe ich es, nach Hause zu radeln und mich auf die Party vorzubereiten. Eloísas Geschenk ist fast fertig, ein mit Blüten verzierter Trinkkelch nach einem Design aus ihrem Heimatland Venezuela. Jetzt muss ich ihn nur noch vom 3-D-Drucker meines Vaters herstellen lassen, doch das Ding streikt. »Morscher Mist, druck jetzt, oder ab auf den Schrottplatz!«, schreie ich ihn schließlich an. Die Drohung wirkt.
    Als ich endlich mitsamt Geschenk vor Eloísas Haustür stehe, höre ich schon die Bässe dröhnen. Irgendjemand lässt mich rein und mir schlägt ein Geruch nach Räucherstäbchen und ein Gewirr deutscher und spanischer Stimmen entgegen. Ich verstehe das meiste davon, Spanisch habe ich schon seit der fünften Klasse.
    Ich schlängele mich durch und gehe auf die Suche nach Eloísa, um sie an mich zu drücken. Eloísa holt tief Luft, als sie den schimmernden, rubinroten Kelch auspackt. »Der ist wunderschön«, sagt sie und umarmt mich. Aber Zeit zum Reden bleibt uns keine, gerade treffen die nächsten Gäste ein und schon ist Eloísa wieder weg. Ich schlendere herum, hole mir ein Glas Moonwater und finde mich neben einem schlaksigen Jungen mit rundem Gesicht und dunklen Locken auf dem Wohnzimmersofa wieder.
    »Andy«, stellt er sich fröhlich vor. »Und du bist Katharina, oder? Die Neue auf der International Academy?«
    »Nenn mich Cat«, sage ich sofort. »Na ja, so neu auch nicht mehr. Ich bin schon vor einem Jahr von der Waldschule auf die Academy gekommen.«
    »Von einer Waldschule?!« Entgeistert schaut er mich an.
    Die Reaktion kenne ich schon. »Es ist nicht so, dass man dort nur Dinge wie den Lebenszyklus des Regenwurms lernt«, sage ich. »Ich war eben früher in einem Waldkindergarten, und als gleich nebenan diese Schule im Perlacher Forst gegründet wurde …«
    Seine blauen Augen blitzen. »Haben deine Eltern denn gewusst, was sie dir mit so einer Kindheit antun?«
    Verblüfft starre ich ihn an. »Äh, wieso?«
    »Damit züchtet man doch nur unglückliche Menschen heran, die ihr Leben lang eine Sehnsucht haben nach etwas, das es kaum noch gibt«, erklärt er. »Oder sollen sie die paar jämmerlichen Bäume in den Städten umarmen, die eh nur noch Hundeklos sind?«
    »Ich bin also eine Art seelischer Krüppel und habe es nur noch nicht gemerkt?«, frage ich irritiert zurück und schaue mir den Typen genauer an. Er sieht nicht aus, als hätte er schon jemals irgendwas mit Blättern aus der Nähe gesehen. Dafür trägt er eins dieser eng anliegenden, pseudoabgewetzten Outfits, die Strom aus Körperwärme und Sonnenstrahlen erzeugen, man braucht den eingebauten Player nie aufzuladen. Außerdem überwachen die Klamotten seinen Puls und sprechen ihm wahrscheinlich auch noch gut zu, wenn es ihm schlecht geht. Ein Technik-Freak.
    Jetzt grinst er mich an. »Ein Krüppel? Wer weiß. Ich kenn dich ja nicht genauer.« Andy trinkt seine Cola aus. »Ich geh mir jetzt eine Portion Curry holen, soll ich dir was mitbringen?«
    »Nein, danke«, sage ich niedergeschlagen. Denn wenn ich genauer darüber nachdenke, hat er recht. Ich werde unruhig und bekomme schlechte Laune, wenn ich zu lange drinnen bin. Ganz klar Entzugserscheinungen. Ich bin süchtig. Aber ich mag meinen Eltern nicht die Schuld daran geben – es hat Spaß gemacht auf der Waldschule, verdammt viel Spaß. Ich habe Addieren und Subtrahieren mit einem Stapel Fichtenzapfen gelernt, Sport hatten wir im schuleigenen Klettergarten. Klassen oder Altersstufen gab es keine, wir wurden alle zusammen unterrichtet. Wenn uns etwas interessierte, konnten wir ein Projekt dazu beginnen und so lange forschen, wie wir wollten. Die einzigen Dinge, die mich nervten, waren das fade, da salzlose Essen und die irgendwie

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