Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
wieder seinen Kopf an die Tür. Drinnen Schweigen. Dann Schritte, gedämpft. Jemand nestelte innen an der Tür, die öffnete sich. Die Frau aus der Bar schaute die beiden verwundert an. Bevor sie etwas sagen konnte, legte Eleonora los. Während sie laut und schnell sprach, ging sie auf die Frau zu, die verdattert in der Tür stand. Sie redete ohne Pause und schob die Frau zur Seite. Stachelmann folgte ihr in die Wohnung.
Dann endlich reagierte die Frau. Sie begann zu schreien. In diesem Augenblick kam der Mann in den Flur. Er trug halblange dunkelbraune Haare, einen Vollbart und eine Brille mit runden Gläsern. Er war dünn und groß.
»Hallo, Detlef!«, sagte Stachelmann.
Der Mann guckte Stachelmann an, als käme der von einem anderen Planeten.
»Kennst du mich nicht mehr? Wir haben beide in Heidelberg studiert«, bluffte Stachelmann. »Ich will schon lange mit dir reden, habe aber nur Esau und Rainer gefunden.«
Der Mann starrte ihn nur an.
»Du bist doch Detlef, oder?«
Der Mann nickte kaum sichtbar, dann schien er zu bereuen, es bestätigt zu haben.
»Dann lass uns reden.«
Eleonora sagte etwas auf Italienisch. Die Frau schien zu widersprechen. Sie tippte auf ihre Armbanduhr.
»Kommt rein«, sagte Köhler und zeigte auf eine Tür.
In diesem Augenblick ein Ruf, eine Männerstimme. »Wer ist da?« Die Stimme klang, als hätte jemand seine letzte Kraft aufbringen müssen.
Die Frau verschwand hinter einer Tür am Ende des Gangs.
In Stachelmanns Kopf rasten die Gedanken durcheinander. Wer war dieser andere Mann? Plötzlich wusste er es. Und dass er einer Finte aufgesessen war. Dass auch die Polizei getäuscht worden war, tröstete ihn nicht.
Köhler schien in Stachelmanns Gesicht gelesen zu haben, dass der sie durchschaut hatte. »Es ist anders, als du denkst«, sagte Köhler.
Eleonora schaute erst Köhler an, dann Stachelmann. Der folgte nun der Aufforderung, in die Küche zu gehen. Er setzte sich an den Tisch, Eleonora tat es ihm nach. Dann kam auch die Frau wieder. Sie und schließlich auch Köhler setzten sich dazu.
»Du brauchst es gar nicht mit Ausreden oder Lügen zu versuchen«, sagte Stachelmann. Noch war Köhler verunsichert durch den nächtlichen Überfall, das wollte Stachelmann ausnutzen. »Ich habe dein Tagebuch gelesen, und ich habe mit Kipper und Detmold gesprochen. Du warst bei der Thingstättensache dabei.«
»Ich kenne dich nicht«, sagte Köhler. »Suzanna sagt, ihr seid in der Bar gewesen und habt nach mir gefragt.«
Stachelmann nickte, aber er antwortete nicht. Er ließ sich nicht abbringen, Köhler wollte Zeit gewinnen, das war klar.
»Du hast nicht geschossen, aber du warst dabei. Und das ist, als hättest du geschossen.«
»Ich habe nicht geschossen«, sagte Köhler. Er verstand Stachelmann offensichtlich nicht. »Im schlimmsten Fall war es Beihilfe zum Mord, und die ist verjährt.«
»Hast dich also kundig gemacht.«
Köhler antwortete nicht.
»Und den Mörder versteckt. Ich glaube, den Juristen könnte es gleichgültig sein, wer abgedrückt hat. Du bist ein Mörder wie der, der geschossen hat. So sehe ich das. Ein Hinweis darauf ist die Tatsache, dass du den, der abgedrückt hat, versteckst. Daraus kann man nur folgern, du billigst seine Tat, und wenn nicht er abgedrückt hätte, dann hättest du abgedrückt. Stimmt's?«
Köhler schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe das nicht gewollt. Ich habe nicht einmal gewusst, dass der« – er stockte, dann sprach er weiter –, »dass eine Waffe da war. Als der die zog und dem Lehmann an den Kopf drückte, da hab ich nichts begriffen. Und dann löste sich der Schuss.« Er schien den Knall im Wald noch einmal zu hören, das vielfältige Echo, das die Bäume zurückwarfen. Der Schrecken wanderte über sein Gesicht. »Und der geschossen hat, der hat das nicht gewollt. Der wollte dem Lehmann Angst machen, damit er gesteht.«
»Was gesteht?«
»Dass er für den Verfassungsschutz gespitzelt hat.«
»Und hat Lehmann gestanden?«
»Nein, bevor er gestehen konnte, war er tot. Das beweist doch, dass es ein Unfall war. Außerdem, wir haben das zwar nicht gewollt, aber es hat nicht den Falschen getroffen.«
»Unglaublich!«, entfuhr es Stachelmann. »Da erzählt einem einer seelenruhig, so ein Mord sei so schrecklich auch wieder nicht. Manche begreifen es nie.« Stachelmann stand auf. Die anderen am Tisch schauten ihn erstaunt an. »Ich werde jetzt mal den Meisterschützen besuchen.« Suzanna kreischte auf Italienisch, was zeigte,
Weitere Kostenlose Bücher