Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
auch, wenn auch aus anderen Gründen.« Stachelmann fühlte sich unsicher. Was sollte er machen mit diesem Mann? Nun hatte er einen Mörder gefunden, aber der war selbst halb tot. Ossi aber konnte der nicht umgebracht haben. Stachelmann wandte sich wieder an Köhler. »Wann warst du das letzte Mal in Hamburg?«
Köhler staunte. »Keine Ahnung, ist ewig her. In meiner Kindheit, dort lebte eine Tante, bei der war ich mal in den Sommerferien.«
»Ich meine, so um den 4. Juli dieses Jahres herum.«
Köhler verstand nichts. Er schüttelte den Kopf.
»Kannst du das beweisen?«
»Natürlich, ich war jede Nacht in der Bar. Nur die letzten Tage nicht regelmäßig.« Sein Blick zeigte auf Zastrow. »Aber sonst immer. So was wie einen Ruhetag haben wir nicht.«
»Und du kennst auch niemanden, der in letzter Zeit nach Hamburg gereist ist?« Stachelmann bedauerte es gleich, diese Frage gestellt zu haben. Natürlich kannte Köhler niemanden, der nach Hamburg gereist war. Und wenn doch, würde er ihn nicht verraten.
Köhler schüttelte nur den Kopf. Er verstand nichts mehr.
»Du sagst, der Lehmann hat gar nicht ..?«, flüsterte Zastrow. »Aber es gab doch Beweise. Ich hab ihn selbst gesehen mit diesem Verfassungsschutztypen, dem Wieland.«
»Das sagt doch nichts«, erwiderte Stachelmann.
»Doch«, widersprach Zastrow. Er versuchte zu schreien, aber mehr als ein Zischen wurde es nicht. Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass Lehmann nicht nur Opfer eines von Zastrow verschuldeten Unfalls, sondern auch unschuldig gewesen sein sollte. Stachelmann konnte sich ausmalen, womit sich Zastrow all die Jahre getröstet hatte. Wenn es auch ein Versehen war, verdient hatte Lehmann diese Strafe. Der war selbst schuld, dass es so weit kommen konnte. Hätte er nicht gespitzelt, hätten sie ihn nicht auf die Thingstätte bringen müssen. Und er hätte Vaters Pistole nicht aus dem Öllappen wickeln müssen. Er erinnerte sich noch, wie gut sich die Waffe angefühlt hatte. Sie lag schwer in der Hand, verlieh einem Macht, machte einen unangreifbar.
»Die Polizei hat den Wieland verhört, und der hat ausgesagt, Lehmann habe nicht gespitzelt.«
»Und das glaubst du?« Köhler war empört.
»Das ist glaubwürdiger, als wilde Behauptungen in die Welt zu setzen, für die es keinen einzigen Beweis gibt, sondern nur ein Konstrukt in euren kranken Hirnen. Ihr habt euch eine eigene Welt gebastelt. Ich gebe zu, das macht das Leben leichter, wenn alles so wunderbar ineinander passt wie in einem Uhrwerk. Aber es ist alles anders. Ihr habt einen Kommilitonen oder meinetwegen Genossen umgebracht, weil ihr einem Hirngespinst aufgesessen seid, das ihr selbst geschaffen habt. Ihr könnt zwar nicht wissen, was Lehmann mit Wieland gesprochen hat, aber euer Hirngespinst beweist ja alles.«
»Du redest Blech«, schnauzte Köhler. »Dummes Zeug.«
»Ja, ja, ist schon recht«, sagte Stachelmann. »Wo ist eigentlich die Waffe?«
»Im Neckar«, sagte Köhler. »Wo genau, verrat ich nicht. Aber sag du mal, was du jetzt machen willst.«
»Gar nichts«, sagte Stachelmann, ohne eine Sekunde zu zögern. »Ist alles verjährt. Und wenn es juristisch doch als Mord gilt, dann ist der Mörder nicht verhandlungsfähig.« Er schaute auf Zastrow. Dessen Augen waren geschlossen, der Atem kaum wahrnehmbar.
»Habt ihr einen Arzt?«, fragte Stachelmann.
Köhler nickte.
Stachelmann beugte sich zu Zastrows Ohr. »Und Kipper war der dritte Mann«, sagte er.
Zastrow nickte kaum merklich.
»Unsinn«, sagte Köhler. Es klang nicht überzeugend.
Stachelmann drängte sich an den anderen vorbei in den Flur. Er konnte den Anblick des sterbenden Mörders nicht ertragen, auch wenn dessen Schicksal ihm gerecht erschien. Schlimmer noch aber war die Enttäuschung. Er wollte Ossis Tod aufklären und war in einer Sackgasse gelandet.
»Du kennst doch Ossi Winter?«, fragte er Köhler.
Der überlegte kurz, dann nickte er.
»Wann hast du zum letzten Mal von ihm gehört?«
»Puh«, sagte Köhler.
Eleonora wechselte mit ihrem Blick zwischen den Sprechern. Sie war bleich.
»Was heißt das?«
»Seit Jahrzehnten nicht mehr.«
»Ossi ist tot.«
Köhler überlegte, dann sagte er: »Früher oder später erwischt es jeden.«
Stachelmann hätte ihm am liebsten eine geknallt. »Er wurde ermordet.«
Köhler zuckte die Achseln. Er wollte wohl sagen: Und was hab ich damit zu tun?
Suzanna ging weg. Stachelmann hörte eine Tür, die ins Schloss gezogen wurde. Nach einer Weile rauschte die
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