Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
Vom Netzwerk:
in den Kneipen und Museen, den Burschenschaftshäusern und den alten Bauten der Universität. Die Innenstadt prägt eine Fußgängerzone, die fast genauso aussieht wie die Fußgängerzone in Castrop-Rauxel. Stachelmann musste grinsen. Natürlich, er fiel auf den Zinnober nicht herein, er war schließlich kein Tourist.
    Als er unten die Karl-Theodor-Brücke sah, fand er die Stufen, die ins Tal führten. Der Weg ins Tal war nicht weniger anstrengend, als es der Aufstieg gewesen war. Er lief über die Brücke, die irgendwann gesperrt worden war für Autos. Hier wimmelte es vor Touristen. Die meisten fotografierten andere Touristen vor dem Schloss als Hintergrund. Als müssten sie jemandem beweisen, in Heidelberg gewesen zu sein.
    Er mied die überfüllte Hauptstraße und ging am Neckarufer zurück zum Hotel. In seinem Zimmer überfiel ihn die Leere. Und er war unruhig, irgendetwas beschäftigte ihn, aber er fand nicht heraus, was es war. Es waren viele Gedanken, die ihn gleichzeitig verwirrten. Reiß dich zusammen, jetzt hast du Zeit für deine Habilarbeit. Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch, schaltete das Notebook ein, öffnete die Datei und fand die Stelle, an der er aufgehört hatte. Bis zum Abend quälte er sich Zeile für Zeile durch den Text. Am Abend entschied er sich, in die Innenstadt zu gehen, in den Weißen Bock, wo sie früher nach den Sitzungen so oft gesessen hatten. Er wollte es auch, um die Angst zu bekämpfen, die ihn erfasste bei dem Gedanken, wieder den Schlägern zu begegnen. Wenn der Angriff auf dich nichts zu tun hatte mit dir und dem Grund, hier zu sein, dann wird es nicht ein zweites Mal geschehen. Aber wenn es nicht geschah, bewies es gar nichts. Womöglich dachten sich diese Typen andere Methoden aus, ihm die Suche zu verleiden.
    Gerade als er den Computer ausgeschaltet hatte mit dem unbefriedigenden Gefühl, wenig geschafft zu haben, klingelte das Handy.
    Regine war dran, sie klang freundlich. »Ein kleines Wunder, Manfred, Uschi und Katharina haben Zeit, und sie wollen dich sogar sehen. Ach, den gibt's auch noch, sagte Manfred, obwohl doch Ossi von dir erzählt hatte. Montagabend, passt es dir, im Palme?«
    »Ideal«, sagte er und spürte die Vorfreude. Es schien ihm, als bekäme sein Aufenthalt ein wenig mehr Sinn, wenn er die alten Genossen traf.
    Später, im Weißen Bock, der nun auf schick getrimmt war, sah er die jungen Leute, glatte Gesichter, hübsche Frauen, lebhaft, bald fühlte er sich alt und eklig. Stachelmann beobachtete, wie sie schwatzten, fröhlich, unbeschwert, als gäbe es nichts Wichtiges. Er aß schnell auf und ging zurück zum Hotel. Er nahm den Weg über die Hauptstraße, die auch spät noch belebt war. Weit vorn sah er zwei Männer, er erschrak, dann mahnte er sich. Reiß dich zusammen, werd nicht hysterisch. Aber die Angst verzog sich erst aus dem Unterleib, als die beiden an ihm vorbeigegangen waren, ohne ihn zu beachten. Trotzdem schaute er noch einige Male möglichst unauffällig zurück, ob sie ihm nicht doch folgten. Wie stark ihn die Angst gepackt hatte, merkte er erst, als sie im Hotel abfiel von ihm. Er war verschwitzt, auch weil er entgegen seiner Absicht am Ende schnell gegangen war. Nachdem er in den Spiegel geschaut und geduscht hatte, legte er sich aufs Bett, schaltete den Fernseher ein, zappte ein paar Minuten und schaltete das Gerät wieder aus.
    Am Morgen fühlte er sich wie Kafkas Gregor Samsa, der Mann, der als Käfer aufwachte. Ihm schien es, als gehörten seine Gliedmaßen nicht zu seinem Körper. Er versuchte mit dem Finger seine Nasenspitze zu fassen, traf sie aber nicht. Er fürchtete diesen Zustand. Er war kraft- und willenlos. Stachelmann starrte an die Decke, ihm war alles gleichgültig. Er wusste, würde er aufstehen, dann musste er sich festhalten, weil der Schwindel ihn sonst umwarf. Noch nie hatte ihn diese Lähmung unterwegs erwischt. Fatalistisch erinnerte er sich, wie es beim letzten Mal gewesen war. Wenigstens zwei Tage hatte ihn die Lähmung umgehauen, die Schwäche war länger geblieben. Als er es dem Rheumaarzt erzählte, schaute der ihn neugierig an, aber Stachelmann las in dessen Augen, dass ihm dazu nichts einfiel.
    Die beiden folgenden Tage dämmerte er vor sich hin. Er winkte das Zimmermädchen unwillig hinaus und aß nichts. Erst am Samstag ging es ihm besser, wenn ihn auch die Schwäche noch daran hinderte, das Hotel zu verlassen. Aber er frühstückte und setzte sich sogar an den Computer, um zu arbeiten. Am Sonntag

Weitere Kostenlose Bücher