Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
die Mörder von Lehmann, oder Sie sind denen dicht auf den Fersen.«
»Sie meinen, Monika Brettschneider wurde ermordet, um Sie aus Heidelberg zu vertreiben?«, fragte Fath. In seiner Stimme hörte Stachelmann, wie schwer es ihm fiel, ihn nicht für übergeschnappt zu halten. Die Kollegin in Hamburg hatte geraten, diesen seltsamen Kerl ernst zu nehmen. Sie hätten es in Hamburg dereinst nicht getan und schlecht dabei ausgesehen. Die Kollegin sagte, sie kenne den Dr. Stachelmann. Aber offensichtlich hatte die Kollegin sich geirrt. Wenigstens in dieser Sache.
»Ja«, sagte Stachelmann. »Haben Sie eine bessere Erklärung?«
»Ich habe mehrere Erklärungen, die besser sind«, sagte Schmidt bemüht ruhig.
»Ich bewundere Ihre Kombinationsgabe, Herr Dr. Stachelmann, wirklich«, sagte Fath.
Er schmeichelt dir, um dich schnell loszuwerden. Ich weiß doch selbst, ich kann das nicht beweisen. Aber so passt jedes Steinchen zusammen. Natürlich klingt es verrückt, dass Monika Brettschneider sterben musste, um mich zu vertreiben. Weil die Prügel nicht reichten. Aber wer prügelt und mordet, riskiert etwas. Dieser Aufwand muss sich lohnen. Sie glauben, ich bin ihnen auf der Spur.
»Beschützen Sie wenigstens Frau Schmelzer.«
Die beiden nickten im gleichen Takt.
Stachelmann erhob sich. »Ich weiß, Sie halten mich für verrückt. Natürlich kann ich nichts davon beweisen. Aber wenn ich die Teile so zusammenfüge, wie ich es getan habe, dann ergeben sie ein stimmiges Bild, nicht wahr?«
Die beiden Polizisten nickten wieder im gleichen Takt.
Dann sagte Schmidt: »Man könnte sie aber auch anders zusammenfügen, die Steinchen. Der Kollege Winter hat sich selbst getötet, Frau Brettschneider wurde Opfer eines Unfalls, dessen Verursacher zuvor in Schnaps gebadet hat, und der Angriff auf Sie, na ja, Sie wissen schon.«
Stachelmann dachte, wie immer in solchen Fällen, an den Franziskanermönch Wilhelm von Ockham, der die Philosophie bereichert hat mit seinem Rasiermesser, das alles überflüssige Denkgestrüpp wegschnitt. Hast du die Wahl zwischen einfachen und komplizierten Erklärungen, sind die einfachen meistens richtig. Er musste sich also nicht nur mit zwei Kriminalbeamten streiten, sondern auch mit dem Mönch. Das war einer zu viel, jedenfalls für diesen Tag. »Passen Sie auf Frau Schmelzer auf.« Er öffnete die Tür.
»Wir schicken einen Wagen vorbei«, sagte Fath, dem die Erleichterung anzusehen war, da Stachelmann nun die Türklinke ergriff.
»Nicht nur einmal«, sagte Stachelmann, nickte den Polizisten zu und verließ das Zimmer. Er eilte aus der Polizeidirektion, lief zur Hauptstraße und setzte sich in das Café neben dem Psychologischen Institut. Unterwegs schaute er sich einige Male um, ob ihm jemand folgte. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Er schalt sich, weil er offenbar anfing an Hokuspokus zu glauben, doch dann erschien ihm seine Kombination der Ereignisse wieder zwingend. Aber es stimmte, alles konnte auch anders bewertet werden, die Interpretation der Polizisten war genauso gut wie seine, eher besser, wie er sich eingestand, weil sie einfacher war. Ja, es geschehen jeden Tag Verkehrsunfälle. Und warum soll nicht jemand, mit dem er gerade gesprochen hatte, bei einem Unfall sterben? Wenn er an seiner Kombination festhielt, musste er sofort abreisen aus Heidelberg, weil er jeden gefährdete, mit dem er sprach.
Was war mit Regine? Er erschrak. Er nahm das Handy, suchte ihre Nummer in seinem Adressbuch und wählte. Es klingelte, sie nahm nicht ab. Sie wird jetzt arbeiten, dachte er. Er hatte sie nicht einmal gefragt, was ihre Arbeit ist. Das konnte auch nur ihm passieren. Du bist ein Egomane, schimpfte er lautlos. Aber wenn sie wirklich Lehrerin war, wie Katharina behauptet hatte, dann unterrichtete sie jetzt. Der Gedanke beruhigte ihn etwas.
Eine junge Frau mit Schürze fragte ihn, was er bestellen wolle. Er glaubte, Mitleid zu lesen in ihrem Blick, mit dem sie sein Gesicht musterte. Er wählte einen Tee und ein Sandwich.
Durfte er ins Universitätsarchiv, oder brachte er dadurch Menschen in Gefahr? Dann fiel ihm wieder Frau Schmelzer ein. Sollte er sie anrufen und warnen? Wenn die Polizei seine Befürchtung nicht ernst nahm, musste er es dann tun? Wie weit reichte seine Verantwortung? Wenn er sich aber irrte? Durfte er sie unnötig ängstigen?
Je länger er nachdachte, umso stärker meldete sich der Trotz. Gut, ich habe mich verrannt. Wenn die Polizei das glaubt, wird es
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