Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
sicher, dass sie Lehmann zeigten, bei den anderen vermutete er es.
Stachelmann hatte schief gesessen, jetzt schoss ihm der Schmerz in den Rücken. Er streckte sich, stand auf, ging ein paar Schritte. Dann setzte er sich wieder hin, ohne den Schmerz losgeworden zu sein. Er stand wieder auf. Nach einigem Kramen fand er Schmerztabletten. Er spülte zwei hinunter, dann betrachtete er im Stehen noch einmal die sieben Fotos. Sie alle zeigten Lehmann, oder wen er dafür hielt, zusammen mit anderen jungen Männern. Die sahen aus wie Studenten, und es war auch anzunehmen, dass sie studierten. Er legte die Fotos nebeneinander auf den Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl. Mit der Lupe betrachtete er die Männer in Lehmanns Umgebung, soweit ihre Gesichter erkennbar waren. Auf zwei von den drei Bildern, die zweifelsfrei Lehmann zeigten, tauchten jeweils dieselben beiden Männer auf. Er studierte ihre Gesichter, aber selbst durch die Lupe waren sie grob gezeichnet, der Fotograf hatte zu weit weg gestanden oder wollte nur die Gruppe ablichten, ohne sich für deren Mitglieder zu interessieren.
Stachelmann sortierte die beiden Bilder nebeneinander und hielt die Lupe mal über das eine, dann über das andere. Eines war auf dem Marktplatz aufgenommen worden, das andere vor dem CA, das Gebäude war im Hintergrund eindeutig zu erkennen. Warum der Fotograf diese beiden Bilder geschossen hatte, verstand Stachelmann nicht. Er fand sie belanglos. Aber das konnte Stachelmann egal sein. Er musste herausfinden, wer diese beiden Männer waren. Sie wussten vielleicht etwas oder waren selbst verwickelt in den Mord. Aber dann gestand sich Stachelmann ein, es war nicht so einfach, es mochte Zufall sein, dass die beiden neben Lehmann standen. Doch es war eine Spur, eine schwache zwar, jedoch eine, der die Polizei damals vermutlich nicht gefolgt war. Sie wird das Umfeld des Opfers untersucht haben, sofern es ihr bekannt geworden war, das war Routine, aber wahrscheinlich hatte sie diese Fotos nicht ausgewertet. Er würde Frau Schmelzer danach fragen.
Er betrachtete noch einmal die beiden Männer. Der eine trug einen Vollbart, der andere hatte ein schmales Gesicht und ein hervorstechendes Kinn. Den mit dem Vollbart glaubte Stachelmann schon einmal gesehen zu haben. Er zermarterte sein Hirn, ließ unzählige Szenen seiner Vergangenheit ablaufen vor dem inneren Auge, aber er fand den Mann nicht. Wahrscheinlich bildete er es sich nur ein.
Stachelmann packte die Bilder, die ihm nichts nutzten, zurück in die Umschläge und diese in die Aktentasche. Er hängte sie sich über die Schulter und verließ das Hotel. Auch wenn seine Augen fortlaufend die zwei Männer suchten, die ihn verprügelt hatten, und die Angst im Unterleib rumorte, war er gut gelaunt. Er glaubte, einen Schritt vorangekommen zu sein. Oder anders gesagt, wenn er in dieser Sache vorankam, dann nur auf diesem Weg. Und wenn es eine Sackgasse war, dann hörte er auf zu suchen. Es war schwül, und er ging schnell. Wieder brach ihm Schweiß aus. Nass erreichte er die Straße, die er hochsteigen musste zum Haus von Frau Schmelzer. Er freute sich, sie wieder zu sehen. Sie war offen und ohne Misstrauen. Ohne ihre Hilfe wäre er nicht da, wo er nun war. Auch wenn er nicht so genau wusste, wo er war, so bildete er sich doch ein, dass die sieben Fotos, die auf seinem Tisch im Hotel lagen, ihn voranbringen würden. Wenn er Glück hatte, fand er den oder die Thingstättenmörder und mit ihnen denjenigen, der Ossi auf dem Gewissen hatte.
Ossi war ermordet worden, das schien ihm nun sicher zu sein. Ossi hatte nicht unter Depressionen gelitten. Er lebte in einer guten Beziehung mit einer attraktiven Kollegin. In seinem Beruf war er erfolgreich und anerkannt. Und hätte Ossi nicht Stachelmann angerufen, wenn er hätte abtreten wollen? Zumal, wenn das zu tun gehabt hätte mit ihrer gemeinsamen Zeit in Heidelberg?
Außer Atem näherte er sich dem Haus, in dem Frau Schmelzer wohnte. Ob er vorher hätte anrufen sollen? Nein, jetzt war er schon hier. Als er die letzte Straßenbiegung genommen hatte, sah er den Krankenwagen. Zwei Männer in weißen Kitteln trugen eine Bahre zum Auto.
* * *
2. Dezember 1978
Nun haben die mich doch noch verhört. Plötzlich standen zwei Zivilbullen vor meiner Tür und fragten scheißhöflich, ob sie mir ein paar Fragen stellen könnten. Ich war eiskalt. Ich habe sie reingelassen, aber nur in die Küche. An der Wand hängt da immer noch das Plakat von Che Guevara, aber
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