Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
du?«
»Bestimmt. Manchmal fühle ich, dass Ossi bei mir ist. Er gibt mir Ratschläge, auch im Dienst. Und ich erwische mich, wie ich mit ihm rede.« Sie lachte kurz auf. »Zuletzt hat der Taut gesehen, wie ich mich mit ihm unterhielt. Er hat nichts gesagt, aber den Kopf geschüttelt. Es war mir nicht peinlich, wo mir doch sonst vieles schnell peinlich ist. Ossi hat mich deswegen oft aufgezogen. Und ich habe mich geärgert. Stell dir vor, und jetzt beginne ich mich selbst auf den Arm zu nehmen, so, wie er es getan hätte. Ist doch verrückt, nicht?«
»Nein, das ist gut.« Er fühlte sich ihr nahe. Wenn er tot wäre, ob jemand so um ihn trauern würde?
Nach dem Telefonat saß er lange im Wohnzimmersessel und überlegte, wie es weiterging mit ihm und Anne. Und mit Carmen. Er gestand sich ein, er fühlte etwas für sie. Sie war so tapfer, und er ahnte, er war ihr auch nicht gleichgültig. Wenn er auch nicht wusste, wie er sein Gefühl verstehen sollte. Ach, das redest du dir ein, weil du nicht zufrieden bist, wie du mit Anne zusammenlebst. Zusammen? Wie immer man das nennen mochte.
Seine Gedanken kreisten eine Weile um diese immer gleichen Fragen, auf die er, wie er von vornherein wusste, heute keine Antwort finden würde, und später auch nicht. Die Dinge entwickelten sich so oder so, viel ändern konnte er daran nicht, auch wenn er es sich manchmal einbildete. Er müsste seine Arbeit fertig stellen, aber er tat kaum etwas daran. Stattdessen reiste er durch die Gegend, um Mörder zu suchen. Es war nicht seine Aufgabe, Mörder zu suchen. Aber sie hatten seinen Freund getötet, genauer gesagt, einen Bekannten, der früher sein einziger Freund gewesen war. Mit dem er einige Jahre verbracht hatte, die ihn trotz allem geprägt hatten. Das ist doch eine Verpflichtung, murmelte er vor sich hin.
Am Morgen ging er ins Polizeirevier in der Mengstraße. Er wartete am Tresen, bis der Beamte eine hysterische Alte beruhigt hatte, die sich von geheimnisvollen Wesen bedroht fühlte. Als die Frau schimpfend gegangen war, schaute der Beamte Stachelmann genervt an, und der sagte: »Keine Sorge, meine Wesen sind nicht geheimnisvoll. Ich heiße Dr. Josef Maria Stachelmann und arbeite an der Universität Hamburg. Ich wurde in der Nacht vom 3. zum 4. Juli überfallen und zusammengeschlagen, so gegen zwei Uhr morgens. Im Lohkoppelweg in Hamburg-Lokstedt. Es waren zwei Männer.« Stachelmann drehte dem Polizisten die Halsseite entgegen, welche die Reste eines Hämatoms zeigte, das er den Schlägern in Heidelberg verdankte.
»3., 4. Juli«, sagte der Beamte entgeistert, »da kommen Sie erst jetzt?«
»Ich wäre gar nicht gekommen, hätte ich nicht die Männer gefunden, die es getan haben. Und zwar in Heidelberg. Es sind Rainer Detmold und Esau Kipper, die ich zufällig wieder getroffen habe.« Er nannte ihre Berufe und Adressen. »Sie haben mich komischerweise nicht erkannt, wahrscheinlich weil ich ihnen nachts zufällig über den Weg gelaufen bin, als sie gerade jemanden suchten, den sie verprügeln konnten. Das soll es ja geben. Spätpubertäre Mutprobe oder so.«
Der Polizist guckte ihn mit großen Augen an. »Die haben Sie in der Lohkoppel in Lokstedt zusammengeschlagen, und kurz darauf haben Sie die Schläger in Heidelberg getroffen. Und das soll ein Zufall sein?«
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber das herauszufinden ist eher Ihre Aufgabe. Es wäre vielleicht hilfreich, die Herren nach ihrem Alibi befragen zu lassen. Eine Kleinigkeit geradezu.«
Der Polizist schien zu spüren, dass an Stachelmanns Auftritt etwas faul war. Aber dann erinnerte er sich wohl an den roten Fleck an dessen Hals. Und Stachelmann war offensichtlich nicht betrunken und Akademiker. »Sie wissen, falsche Anschuldigung ist ...«
Stachelmann winkte ab. »Das ist keine falsche Anschuldigung. Das ist die Anzeige einer Straftat, sofern es in Deutschland noch strafbar ist, Menschen zu schlagen.« Er ließ seine Stimme unwillig klingen.
Der Polizist stutzte, dann bat er Stachelmann hinter den Tresen, bot ihm an einem Schreibtisch einen Stuhl an, setzte sich an einen Computer und ließ Stachelmann schildern, was der erlebt haben wollte. Stachelmann hörte in den Fragen das Misstrauen des Polizisten, aber der hatte sich nun entschlossen, die Strafanzeige aufzunehmen, wodurch Staatsanwaltschaft und Polizei verpflichtet wurden zu prüfen, ob eine Straftat vorlag. Stachelmann gab dem Beamten seinen Personalausweis. »Ich weiß, es geht mich nichts an. Aber wenn
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