Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
Wohnungstür, öffnete sie, stand kurz in der Tür, schloss sie endlich von außen und eilte die Treppe hinunter. Als er fast unten war, schoss ihm der Schmerz ins linke Knie. Er stöhnte auf, klammerte sich ans Geländer, dann setzte er sich auf die Treppe. Der Schmerz wurde stärker, er suchte eine Beinhaltung, die ihn milderte, fand aber keine. Zischend atmete er Luft ein. Eine alte Frau schleppte zwei Einkaufstüten nach oben. Sie schaute ihn kurz an, schien etwas sagen zu wollen, schwieg dann aber und humpelte an ihm vorbei. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe nach oben wandern, dann war es still, ein Schlüsselbund klingelte, ein Schloss klackte, ein Knarren, schließlich klickte das Schloss, als sie die Tür zudrückte. Er fühlte sich, als wäre er nicht er selbst.
Er bewegte das Knie, dann stand er vorsichtig auf, indem er sich am Geländer hochzog. Im Stehen prüfte er, ob das Bein sich belasten ließ, spürte, wie der Schmerz schwächer wurde, und stieg vorsichtig die letzten Stufen hinab. Durch den Von-Melle-Park ging er langsam zum Dammtorbahnhof, dort verpasste er die S-Bahn zum Bahnhof, aber die nächste kam nach wenigen Minuten. Im Hauptbahnhof erwischte er den Regional express nach Lübeck auf Gleis 7b.
Im Zug war es stickig, er begann zu schwitzen. Er sah draußen die Felder, Häuser und Höfe vorbeirasen und fühlte sich allein. Damals, beim Holler-Fall, da hatte Anne ihm geholfen. Und dann noch einmal, als er im Gefängnis gesessen hatte. Aber diesmal half sie nicht. Und Ossi war tot. Es blieben Carmen und dieser Wolf in Heidelberg, den er besser nicht einbezogen hätte. Als der Zug in Lübeck hielt, lief Stachelmann durch die Baustelle, die ein neuer Bahnhof werden sollte und so aussah, als würde sie immer so bleiben, staubig, laut, eng und verwirrend.
Der Schmerz im Knie war verschwunden. Er ging über die Puppenbrücke, bog nach dem Lindenteller rechts ab in die Obertrave, welche die Stadtverwaltung demnächst verschönern, also in eine Dauerbaustelle verwandeln würde, bis zur Dankwartsgrube. Die Sonne brannte, heiße Luft stieg über dem Kopfsteinpflaster.
Da fiel ihm Olaf ein. Und die schlechte Laune kehrte zurück, nachdem sich seine Stimmung gerade erst ein wenig aufgehellt hatte. Der nicht auch noch. Aber Olaf war nicht da, doch Stachelmann ahnte, der würde sich melden, sofern die Polizei ihn nicht aus dem Verkehr gezogen hatte. Das erinnerte ihn wieder an die Zeit im Gefängnis, ihm wurde übel. Er stieg schnell die Treppen hoch zu seiner Wohnung und warf sich in den Sessel im Wohnzimmer. Lange saß er dort und versuchte sich zu sammeln. Dann griff er zum Telefon und wählte Wolfs Nummer.
»Sie haben in ein Wespennest gestochen. Die Herren haben sich schon wieder getroffen, diesmal in einem Café. Der Nebentisch war blöderweise besetzt, aber sie haben über Detmolds Frau gesprochen. Sie wisse alles. Was er machen solle, fragte Detmold. Mehr habe ich nicht verstanden, aber eigentlich reicht das ja auch. Sonst ist der Herr Doktor fleißig, er arbeitet bis spätabends.«
Dann rief er Carmen an. Sie war zu Hause und hörte schweigend zu, während er berichtete. »Nicht schlecht, Herr Kommissar«, sagte sie.
»Hauptkommissar«, erwiderte er, »wenn schon, denn schon. Ich muss nur noch herausbekommen, ob Detmold und Kipper in Hamburg waren. Wenn sie lügen und ein falsches Alibi nennen, sind sie fällig. Das sollte dann auch der Polizei reichen.«
Sie schwiegen einige Sekunden, dann sagte sie: »Und wie willst du das mit dem Alibi hinkriegen?«
»Warte es ab. Ich werde dich da raushalten. Manchmal führt der krumme Weg zum Ziel.«
»Du weißt, du machst dich strafbar, wenn du eine Straftat vortäuschst und Leute zu Unrecht beschuldigst.«
»Aber wenn die so eines anderen, viel schlimmeren Verbrechens überführt werden, werde ich wohl unterhalb von lebenslänglich davonkommen.«
»Ich hoffe, du weißt, was du tust. Überleg es dir nochmal«, sagte Carmen.
»Du kannst mir dann ja die Torte bringen. Aber nicht mit so einer billigen Feile aus dem Baumarkt.«
Sie ging nicht ein auf seinen Scherz. »Überleg es dir gut.« Wieder schwiegen sie eine Weile. »Ich finde es aber toll, dass du dich so um Ossi kümmerst. Ich glaube, er erwartet es von dir, schaut dir von irgendwo zu und sagt: Sieh an, der Jossi, macht mal wieder den Amateurbullen. Aber nicht schlecht, mit einer zünftigen Ausbildung hätte ein halbwegs guter Kripomann aus ihm werden können.«
»Meinst
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