Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
gekleideten Mann, der an einem Baum lehnte. Er sah aus, als wäre er von den Felsen gefallen, wo sich ein Wildpfad am Rand einer kurzen Klippe entlangschlängelte. Wahrscheinlich war er bei der Kälte vor ein paar Tagen erfroren.
Er war offenbar der Grund für all die Suchtrupps, die im Wald unterwegs waren. Wahrscheinlich hatte er sich verlaufen, denn kein Mensch, der noch bei Verstand war, würde freiwillig so weit entfernt von einem Weg ohne irgendein Packtier auf die Jagd gehen. Es war so weit entfernt
von Orten, an denen Leute nach ihm oder seiner Leiche suchten, dass die Aussichten dazu irgendwo zwischen gering und nicht vorhanden lagen. Im Frühjahr würde es nur noch wenig zu finden geben.
Er dachte daran, die Leiche zu begraben, aber dann würde er sich durch acht oder zehn Fuß Schnee wühlen müssen, nicht zu reden von sechs Fuß gefrorenem Boden. Außerdem hatte er keine Schaufel dabei. Der Tote hatte offenbar die gleiche Schuhgröße wie er, also nahm er die Stiefel ebenso wie die Handschuhe und den Parka - die orangefarbene Weste ließ er zurück. Das Gewehr ebenfalls zurückzulassen fiel ihm schwerer, aber er würde sich kaum Munition verschaffen können und wollte niemanden mit Gewehrfeuer auf sich aufmerksam machen.
Er senkte den Kopf und begann ein Gebet. Es war kein sehr gutes Gebet, denn das Einzige, an das er sich erinnern konnte, waren die Worte, die er als Kind vorm Schlafengehen aufgesagt hatte. Aber er konzentrierte sich auf sie, weil sie ihm halfen, die Bestie in sich zu ignorieren, die den Jäger als Fleisch betrachtete. Sie hatte Hunger, und es war ihr egal, woher das Fleisch kam.
Er war gerade erst mit dem Gebet fertig, als der Dämon heulte. Er spürte, wie ein Grollen zur Antwort aus seinem Bauch aufstieg, eine Herausforderung an den Feind. Aber er unterdrückte das Geräusch. Er wusste, wie es war, wenn das Böse einen verfolgte... einen Augenblick befand er sich wieder mit Jimmy im Krieg, glitt von Schatten zu Schatten, als sie sich dem Zelt ihres Kommandanten näherten. Das Schluchzen des Dorfmädchens hatte ihre Annäherung verborgen.
Einen Augenblick sah er Jimmys Gesicht deutlich, als stünde er wieder neben ihm. Dann war er erneut in der
Gegenwart und beugte sich über den Toten - eine erfrorene Leiche, deren Kehle er durchgeschnitten hatte, wie vor so vielen Jahren die seines Kommandanten.
Dieses kleine Mädchen hatte nie jemandem verraten, was geschehen war, aber er und Jimmy hatten mehrere Wochen nervös gewartet. Sie hätten sie ebenfalls töten können, aber das hätte sie so schlimm wie den Kommandanten gemacht. Offiziell war er von einem Heckenschützen umgebracht worden. Er und Jimmy hatten höhnisch gekichert, als sie das hörten. Die meisten Heckenschützen benutzten keine Messer.
Er beugte sich vor und hob die Leiche hoch. Er konnte nicht zulassen, dass sie mit einer Messerwunde gefunden wurde, also würde er sie irgendwohin bringen, wo sie noch weiter von den üblichen Wildpfaden entfernt war.
Er trug die Leiche etwa eine Meile und setzte sie dann neben einem Dickicht von Mahonien ab. Als er sich die Lippen befeuchtete, schmeckte er Blut. Erschrocken blickte er an der Leiche hinab und bemerkte, dass die Halswunde gesäubert worden war, die Haut rings um sie herum glänzte von Speichel.
Er schnappte sich eine Handvoll Schnee und wischte sich den Mund ab, hin- und hergerissen zwischen Hunger und Übelkeit - obwohl er wusste, dass er nicht viel geschluckt haben konnte, weil die Leiche steif gefroren war.
Er ging so schnell davon, wie er konnte, ohne zu laufen.
»Anna?« Charles war fertig damit, die Schlafsäcke an den Reißverschlüssen zu verbinden.
Sie antwortete nicht. Sie hatte Jacke und Stiefel ausgezogen
und war wieder auf den Felsen gestiegen. Dort stand sie jetzt barfuß, die Wollsocken in einer Hand.
Wenn sie irgendwo anders gewesen wären, hätte er angenommen, dass sie die Aussicht genoss, aber sie befanden sich zwischen den Bäumen, wo alles, was sie sehen konnte, mehr Bäume waren. Und sie schaute auch nicht unbedingt nach draußen, sondern vermied es nur, die Schlafsäcke und ihn anzusehen. Sobald sie mit dem Essen fertig gewesen waren, hatte sie wieder begonnen, sich vor ihm zu verschließen.
Die Temperatur war um mehrere Grad gesunken, als die Sonne unterging, und es war zu verdammt kalt, als dass sie dort barfuß und ohne Jacke herumstehen konnte. Sie mochte ein Werwolf sein, aber Erfrierungen taten immer noch scheußlich weh.
Doch er
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