Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
Biss oder einen Kratzer verpasst, aber Charles war völlig unverletzt.
Der Wolf war auf die Beine gekommen, versuchte aber nicht, weiter anzugreifen. Er hatte Angst, dieser Wolf. Der Geruch seiner Angst durchflutete die Luft, als er Charles trotzig ansah.
Aber er blieb, wo er war, zwischen Charles und Anna. Als wollte er sie beschützen.
Charles kniff die Augen zusammen und versuchte, diesen Wolf zu erkennen - er war so vielen begegnet. Grau auf grau war keine ungewöhnliche Färbung, und er war tatsächlich noch dünner als Annas Wolfsgestalt, abgemagert bis aufs Skelett. Er roch nicht vertraut - und er roch auch nicht nach einem Rudel. Er roch, als hätte er eine Höhle in Douglastannen, Zedern und Granit - als wäre er nie von Shampoo oder Seife oder anderen Annehmlichkeiten der Zivilisation berührt worden.
»Wer bist du?«, fragte Charles.
»Wer bist du?«, wiederholte Anna, und der Wolf sah sie an. Höllenfeuer, Charles tat das Gleiche. Wenn sie es darauf anlegte, konnte sie jeden Wolf, den sie haben wollte, beinahe so wirkungsvoll wie Bran anschauen, obwohl er es mit reiner Persönlichkeit tun musste. Annas Blick bewirkte, dass man sich zu ihren Füßen zusammenrollen und sich in ihrem Frieden suhlen wollte.
Charles erkannte den Augenblick, als der Wolf begriff, dass es hier keine Menschen gab, die er beschützen musste. Er roch den Zorn des anderen Wolfs und seinen Hass, der aufflackerte und dann wieder verschwand, als er seiner Anna begegnete. Nichts als verstörtes Staunen blieb zurück. Der Wolf lief davon.
»Geht es dir gut?«, fragte Charles und riss sich so schnell wie möglich die Kleidung vom Leib. Er hätte Magie anwenden können, um sich auszuziehen, wie er das für gewöhnlich tat, aber er wagte nicht, es jetzt zu tun, wenn er die Magie vielleicht später für etwas Wichtigeres brauchen würde. Der verdammte Verband um seine Rippen war zäh, und es tat weh, als er ihn mit den länger werdenden Fingernägeln zerfetzte. Etwas an den Schneeschuhbindungen hatte sich mit einem Schnürsenkel des Stiefels verknotet, also zerriss er den Schnürsenkel.
»Es geht mir gut.«
»Bleib hier«, befahl er und ließ Bruder Wolf über sich fließen und ihm die Fähigkeit zu sprechen rauben. Er schauderte, als die Gestalt den Ruf der Jagd mit sich brachte - jede Minute, die er für die Veränderung brauchte, half dem anderen, sich weiter zu entfernen.
»Ich werde hier sein«, sagte sie - und als seine Wolfsgestalt deutlicher wurde, drangen weitere Worte zu ihm. »Tu ihm nicht weh.«
Er nickte, dann verschwand er im Wald. Er würde bei dieser Reise niemanden töten müssen. Mit Annas Hilfe würde er den Abtrünnigen in Sicherheit bringen.
Sobald er fort war, bemerkte Anna, dass sie schauderte, als hätte ihr gerade jemand die Jacke ausgezogen und sie nackt in Eis und Schnee stehen lassen. Sie sah sich nervös um und fragte sich, warum die Schatten der Bäume plötzlich dunkler aussahen. Die Tannen, die nur Momente zuvor nichts anderes als Bäume gewesen waren, schienen nun in stiller Bedrohung aufzuragen. »Ich bin ein Ungeheuer, verdammt«, sagte sie laut.
Wie zur Antwort legte sich der Wind, und Stille senkte sich herab; eine schwere, alles erdrückende Stille, die irgendwie lebendig wirkte, obwohl sich nichts bewegte oder Lärm machte. Selbst die kleinen Vögel, Meisen und Kleiber, schwiegen.
Wütend sah sie die Bäume an, aber das half ein wenig. Stattdessen wurde das Gefühl, dass jemand sie beobachtete, intensiver. Ihre Nase sagte ihr, dass es nichts gab - aber sie hatte ihr auch nichts von dem Wolf gesagt, der sie und Charles umgerissen hatte. Jetzt, nachdem der Wolf geflohen war, war ihr Warnsystem eingeschaltet.
Wie nützlich.
Aber an den Wolf zu denken erinnerte sie an das seltsame Gefühl, das sie nur einen Moment zuvor gehabt hatte, als ob sie durch den fremden Werwolf bis tief in seine Seele schauen und seine Qual, seine Not spüren konnte. Sie hatte die Hand ausgestreckt und ihn gefragt, wer er war, und ein Teil von ihr war überzeugt gewesen, dass er zu ihr kommen und antworten würde.
Als er stattdessen geflohen war, hatte er dieses seltsame
Gefühl von ihr weggerissen. Sie konnte das meiste, was sie von diesem Wolf gespürt hatte, nicht beschreiben; sie fühlte sich wie eine Blinde, die zum ersten Mal Farben sah. Aber sie hätte geschworen, dass er angegriffen hatte, um sie zu beschützen - und dass er sein Bestes getan hatte, um Charles nicht zu verletzen.
Etwas beobachtete
Weitere Kostenlose Bücher