Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
von Charles gehört oder eine Meile in Schneeschuhen zurückgelegt. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass sie es jemals wieder genießen würde, einen Mann zu küssen. Jetzt trampelte sie durch den Schnee in dieser Eiseskälte, ein albernes Grinsen im Gesicht und auf der Jagd nach einem Werwolf. Oder zumindest folgte sie Charles, der einen Werwolf jagte.
Seltsam. Und irgendwie angenehm. Und es gab noch weitere Vorteile daran, Charles zu folgen - zum Beispiel die Aussicht.
»Kicherst du etwa?«, fragte Charles mit seiner Mr-Spock-Stimme.
Er sah sie wieder an und machte dann eine dieser komplizierten Drehungen, die dank der Schneeschuhe erforderlich waren, um die Richtung zu wechseln. Er zog einen Handschuh aus und berührte ihre Nase, dort, wo sich ihre Sommersprossen sammelten. Seine Finger drifteten nach unten zu dem Grübchen in ihrer linken Wange.
»Ich mag es, dich glücklich zu sehen«, sagte er unverwandt.
Seine Berührung hielt ihr Lachen auf, aber nicht das warme Gefühl in ihrem Bauch.
»Ja?«, fragte sie spitz. »Dann sag mir, dass das wirklich der letzte Aufstieg war und dass dieser große flache Fleck, auf dem wir hier stehen, unser Lagerplatz ist und ich heute nicht weiterwandern muss.«
Sie stand da und sah aus wie eine Katze, die Sahne geleckt hat, und er hatte nicht die geringste Ahnung, wieso. Er war an so etwas nicht gewöhnt. Dabei konnte er andere sonst gut einschätzen, verdammt noch mal. Er hatte viel Übung, und Bruder Wolf war manchmal beinahe empathisch. Und dennoch hatte er keine Ahnung, wieso sie dastand und ihn mit lautlosem Gelächter ansah, das immer noch in ihren Augen tanzte.
Er beugte sich vor, bis er seine Stirn gegen ihre Wollmütze drücken konnte und schloss die Augen, atmete sie ein und ließ ihre Wärme über sein Herz fließen. Ihr Geruch befreite sich von den Fesseln, die er ihm auferlegt hatte, und hüllte ihn ein wie der Rauch einer Hookah .
Kein Menschengeruch mehr für sie, aber so, wie er in sie versunken war, konnte er sich einfach nicht dazu bringen,
sich daran zu stören. Trotzdem hätte er es hören sollen. Riechen sollen. Irgendwas.
Im einen Augenblick stand er noch neben Anna, im nächsten lag er mit dem Gesicht nach unten im Schnee und etwas - ein Werwolf, informierte ihn seine Nase mit Verspätung - auf seinem Rücken und Anna darunter.
Zähne gruben sich durch den Stoff seiner Jacke und rissen an seinem Rucksack. Er ignorierte den Werwolf um Annas willen und schob sich mitsamt dem anderen hoch, um ihr Raum zu geben, sich unter ihm herauszuziehen, obwohl er wusste, dass das wahrscheinlich eine tödliche Entscheidung gewesen war.
Anna wand sich unter ihm hervor, wie man es von der Assistentin eines Bühnenzauberers erwartet hätte. Aber sie gehorchte seiner Anweisung zu fliehen nicht.
Der angreifende Wolf schien sie nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er war so damit beschäftigt, Charles’ Rucksack zu zerreißen, dass er auf nichts anderes achtete. Ein Abtrünniger, dachte Charles - außer Kontrolle, und zwar so sehr, dass er nicht einmal das losließ, was er erbeutet hatte, um sich auf etwas Tödlicheres zu stürzen. Nicht, dass er sich beschwert hätte.
Charles’ Menschengestalt war ein wenig zerbrechlicher als der Wolf, aber beinahe ebenso stark. Ohne dass Anna unter ihm lag, brauchte er nur einen Augenblick, um die Bindungen an den Schneeschuhen zu zerreißen und seine Füße zu befreien.
Silberfarbene Folienpäckchen fielen zu beiden Seiten nieder wie Konfetti bei einer Hochzeit: gefriergetrocknete Mahlzeiten. Samuel würde zweifellos etwas Komisches dazu einfallen - Sehen wir mal, wer als Tiefkühlkost endet .
Grunzend vor Anstrengung drehte sich Charles und
reckte seine Beine so schnell und fest, wie er konnte - und diese Bewegung, verbunden mit dem Gewicht des Werwolfs, zerriss den Stoff seiner Jacke und des Rucksacks. Nun hatte der Wolf plötzlich nur noch den Stoff zwischen den Zähnen und wurde von Charles’ Rücken geschleudert; ein Tritt, und der Wolf war zehn Fuß weit entfernt. Nicht weit genug, und dennoch zu weit. Er befand sich zwischen Charles und Anna - und er war dichter bei Anna.
Noch während Charles hektisch versuchte, sich von den Überresten des Rucksacks zu befreien und dabei alles zerriss, das versuchte zusammenzubleiben, wurde ihm klar, wie seltsam dieser Angriff war. Selbst ein Abtrünniger, der vollkommen außer Kontrolle war, wäre von dem Rucksack nicht derart abgelenkt worden. Er hätte ihm irgendwo einen
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