Schatten eines Gottes (German Edition)
mehrfach auf den Boden. »Befleckung, Befleckung!«, murmelte er. »Ich bin entehrt, verloren, ich bin des Teufels Hurenbock. Ich bin ein Schandfleck unter den Menschen. Ich bin verflucht von Anfang an, weil ich das Blut der Teufelsanbeter in mir habe!«
***
Emanuel lag zusammengekrümmt vor dem Altar wie ein Bündel Lumpen. Düstere Bilder, die er glaubte, im Grab seiner Erinnerungen verscharrt zu haben, wälzten sich wie schwarze Unwetterwolken heran. ›
Von allen Sünden ist die Unzucht die abscheulichste, weil sie alles befleckt, was dir heilig ist!‹,
verkündete eine Donnerstimme, doch niemand sagte ein Wort. Die Stimme kam aus seinem Innern, mit der er sich selbst verdammte. Die Erinnerung war hell und scharf wie eine blitzende Schwertklinge. Die wilden Behauptungen des Priors, seine Herkunft betreffend, waren nie widerlegt worden, und die Lüsternheit des Greises hatte in Emanuel große Ängste ausgelöst. Nur durch absolute Keuschheit in Worten und Taten hatte er bisher vermocht, dieser Ängste Herr zu werden.
Jemand berührte ihn an der Schulter. »Was tut Ihr hier, Frater?«
Emanuel fuhr auf, als stünde der Leibhaftige neben ihm, um ihn in die Hölle zu schleifen. Aber es war nur der Priester. Als er Emanuels bleiches Gesicht und den flackernden Blick bemerkte, wich er erschrocken zurück. »Was fehlt Euch?«
»Ich habe gesündigt!«, stieß Emanuel krächzend hervor.
»Wollt Ihr beichten?«
»Nein!« Das war ein Angstschrei. Nein, nur nicht beichten. Wenn er die Dinge, die geschehen waren, aussprach, würden sie sich wie ein giftiges Ungeheuer wieder gegen ihn erheben.
Emanuel erhob sich schwankend. Er starrte den Priester an wie jemand, der den Verstand verloren hat. Der Priester bekreuzigte sich, als Emanuel an ihm vorbeiwankte. Er setzte sich vor die Kirchentür zu den Bettlern und wünschte sich, sie würden ihn mit ihren schmutzigen, stinkenden Lumpen reinigen, sich mit ihren grindigen Körpern an ihn drängen, damit der tausendfach ärgere Schmutz in seinem Innern beseitigt werde. Doch sie rückten misstrauisch von ihm ab. Nicht einmal dieses verlauste Pack wollte noch etwas mit ihm zu tun haben. Er dünstete die Sünde aus wie ein gerittener Gaul den Schweiß.
Agnes beobachtete Emanuel aus einiger Entfernung. Emanuels Zusammenbruch erfrischte sie wie ein kühles Bad, und der ungeplante Auftritt des Templers hatte der Sache erst die rechte Würze verliehen. Bei den verkrüppelten Bettlern hatte der heuchlerische Kuttenträger Zuflucht gesucht und sich im Schmutz gewälzt, als sei der Himmel auf ihn herabgefallen. Er hatte sich lächerlich gemacht. Ihre Rache war gelungen.
***
Am späten Nachmittag saß Emanuel immer noch dort. Er wusste nicht, worauf er wartete oder ob er überhaupt wartete. Vielleicht würde ein Dachziegel auf ihn fallen und ihn erschlagen, doch das wäre zu barmherzig. Es würde seine Schuld nicht tilgen. Sie war ein Teil von ihm geworden, er würde sie mit sich herumschleppen müssen wie ein Joch.
Plötzlich stand Octavien vor ihm. »Bruder Emanuel. Kommt nach Hause!«
Emanuel sah seine Gestalt wie durch einen Nebel. Ausgerechnet dieser Mann war Zeuge seiner Schande geworden. Die Scham kroch seine Kehle hinauf wie ätzendes Gift. »Nach Hause?«, keuchte er. »Hier ist mein Zuhause. Bei dem Abschaum.«
Octavien packte ihn grob am Arm und zog ihn hoch. »Ihr braucht ein kaltes Bad, das ist alles. Spielt Euch nur nicht als Büßer auf, Mönch! Als wärt Ihr etwas Besonderes. Als wäre das nicht schon Abermillionen von Männern vor Euch passiert.«
Emanuel taumelte ihm fast in die Arme, so schwach fühlte er sich. »Templer!«, flüsterte er. »Die Schlange ist in mir, sie durchwühlt meine Eingeweide, sie zerfrisst mich. Schlagt diese Schlange tot!«
Octavien gab ihm eine kräftige Maulschelle. »So, jetzt ist sie verreckt, Eure Schlange. Und nun benehmt Euch wie ein vernünftiger Mensch. Glaubt Ihr wirklich, Gott hätte nichts Besseres zu tun, als in jeden verschwiegenen Winkel zu schauen, ob dort etwas Unzüchtiges geschieht? Nur ein von Weihrauch vernebeltes Gehirn wie das Eure kann glauben, dass irgendetwas am eigenen Körper sündhaft sein könnte.«
Emanuel stolperte hinter ihm her, bis sie das Gasthaus erreichten. Auf seinem Zimmer angekommen, steckte Octavien den Mönch ins Bett und ließ ihm eine heiße Suppe bringen. »Ihr müsst schlafen. Morgen ist ein neuer Tag. Und Ihr werdet feststellen, er ist Euch nicht davon abgefallen.«
Emanuel schlief nach
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