Schatten eines Gottes (German Edition)
Dienstmannen sollten sich in der Halle versammeln. Rüdiger gedachte, den glücklichen Umstand gleich richtig zu feiern. Ein Blick auf seine Frau dämpfte seine Freude, denn diese hatte sich, nachdem sie kurz den Kopf gehoben hatte, wieder mit mürrischer Miene über ihr Stickzeug gebeugt. Ihre Meinung zu dem Ereignis stand ihr auf der Stirn geschrieben: Ein fahrender Sänger, der veranlasste die Männer doch nur dazu, sich maßlos zu betrinken, außerdem waren deren Lieder meist schlüpfrigen Inhalts und in einem christlichen Haushalt unangebracht.
»Du möchtest nicht mit hinunterkommen, liebste Mathilde?«, richtete Rüdiger honigsüß das Wort an sie.
»Wenn du erlaubst, mein Gemahl, so möchte ich gern an meinem Wandteppich weiter arbeiten«, erwiderte sie spröde, ohne ihn anzusehen.
»Das kannst du doch morgen noch tun. Etwas Musik und Gesang kann uns allen nicht schaden in dieser düsteren Zeit.«
»Würdet ihr Männer euch mehr dem Gebet widmen als unanständige Verse mitzusingen, dann würde Gott ein Licht in eurer Seele anzünden.«
Rüdiger spürte, wie vertrauter Ärger in ihm hochkam. Er hatte nichts gegen eine gute Christin einzuwenden, aber Mathilde war nur eine altjüngferliche Betschwester und von einer guten Christin weit entfernt. Er hätte froh sein müssen, wenn er sie unten in der Halle nicht ertragen musste, aber es machte keinen guten Eindruck, wenn die Burgherrin sich bei solchen Gelegenheiten nicht zeigte. Er wusste aber auch, dass sie bei ihrem Widerstand bleiben würde, also nahm er seinen Umhang, denn in der Halle war es kälter, und verließ wortlos den Raum.
Als Rüdiger die Halle betrat, saß der Sänger vor dem Kamin und wärmte seine klammen Finger. Eine dampfende Schüssel mit dicken Graupen, gewürzt mit Butter und Honig, hatte man ihm bereits vorgesetzt. Er hatte seinen Reisemantel abgelegt. Darunter trug er ein gegürtetes, lang herabfallendes Gewand von brauner Farbe, weite Hosen und geschnürte Stiefel. Psalter und Fidel hatte er an die Bank gelehnt und darunter einen großen Mantelsack verstaut. Der Sänger war schon alt, davon zeugten sein weißes Haupt- und Barthaar, aber seine Statur schien noch kräftig zu sein, was sicher seinem gesunden Lebenswandel in der freien Natur zuzuschreiben war. Der Burgherr begrüßte ihn freundlich, der Sänger verneigte sich tief und brachte seinen Dank für das herzliche Willkommen zum Ausdruck. Sein Name war Wieland. Er stammte aus dem Norden aus der Gegend von Brabant.
Hatte manch einer der Anwesenden geglaubt, der Alte könne nicht mehr für den rechten Frohsinn sorgen oder seine Stimme sei so eingerostet wie seine Gelenke, der irrte sich. Die Stimme war kraftvoll und füllte den Saal. Zuerst griff er nach dem Psalter und zupfte die Saiten so ungestüm, dass die Töne sogleich in die Herzen der Kriegsleute Einzug hielten, dazu gab er feurige Kreuzzugslieder zum Besten. Die Wein- und Bierkrüge kreisten und die Dienstmägde gesellten sich dazu. Zum Auftakt zog der Alte eine Querflöte aus seinem Gewand und blies ein paar lustige Weisen, die allgemein bekannt waren und jeder mitsingen konnte. Dann griff er zur Fidel, klemmte sie sich zwischen die Knie und spielte zum Tanz auf. Zu fortgeschrittener Stunde wurden seine Lieder kecker und zweideutiger, die Burschen lachten, die Mägde kicherten, und am Ende waren die Texte eindeutig, die Männer grölten, schlugen sich ausgelassen auf die Knie und tranken dem Alten zu. Kurz, es war ein vergnüglicher Abend.
Auch Graf Rüdiger hatte oftmals dröhnend gelacht, sich am Gerstensaft mehr als gütlich getan und nur bedauert, dass er keine Zeit mehr gehabt hatte, weibliche Gäste einzuladen. Aber die Hof- und Küchenmägde hatten auch keine schlechten Hintern. Jetzt war er froh, dass seine traute Gattin ihn nicht begleitet hatte, sie hätte das fröhliche Beisammensein zu einer Trauerfeier werden lassen. Wer hätte schon angesichts ihrer Leidensmiene gewagt, ein freches Lied zu singen und dabei ein Mädchen im Tanz zu schwenken und ihr dabei unter die Röcke zu fassen. Selbstverständlich hatte sich auch Pater Anselm ferngehalten.
Es war weit nach Mitternacht, als Wein und Bier dem Fest ein natürliches Ende bereiteten. Die meisten lagen bereits schnarchend unter Tischen und Bänken. Graf Rüdiger erhob sich unsicher, um hinauf in sein Schlafzimmer zu wanken. Ein Diener brachte den alten Sänger in seine Kammer. Er hatte sich seine Bettruhe wohlverdient.
***
Selbstverständlich war Pater
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