Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
Vom Netzwerk:
Anselm diesem ausgelassenen Treiben fern geblieben. Wie jeden Abend hatte er in der Burgkapelle nach dem Rechten geschaut, die große Bibel auf dem Altar und die Marienstatue abgestaubt und alte Wachsreste entfernt. Dann hatte er sich mit einem Buch und einer Kerze in die Sakristei zurückgezogen, die ihm gleichzeitig als Ruheraum diente. Seit Mathilde Burgherrin war, hielt er sich häufig hier auf, denn sie benötigte regelmäßig seinen geistlichen Beistand.
    Es war schon spät, die Kerze fast heruntergebrannt, und der Pater wollte sich zu Bett begeben, als er im Kirchenraum Schritte hörte. Das konnte nicht Mathilde sein, sie hörten sich fester an, wie Männerschritte. Vielleicht wollte der Graf nach diesem feuchtfröhlichen Abend noch einmal im Gebet seiner Sünden gedenken. Pater Anselm trat aus der Sakristei, die Kerze in der Hand, doch das wäre nicht nötig gewesen. Die großen Wachskerzen am Altar brannten, und er war sicher, dass er sie ausgelöscht hatte. In der hochgewachsenen, etwas schlurfenden Gestalt erkannte er den fahrenden Sänger.
    So eine Impertinenz!
Pater Anselm stellte die Kerze ab und kam mit wedelnden Armen auf ihn zu. »Halt! Was ficht Euch an? Das hier ist die Privatkapelle des Burgherrn. Ihr dürft hier nicht beten.«
    »Ich bin auch nicht zum Beten gekommen.«
    Der Alte hatte seine Instrumente nicht dabei, dafür stützte er sich auf einen festen Stab. »Seid Ihr Pater Anselm?«
    »Der bin ich! Was wollt Ihr von mir?«
    »Ich benötige ein paar Auskünfte.«
    Der Sänger ließ sich schwerfällig auf eine Bank im Chorgestühl nieder.
    »Halt! Da dürft Ihr nicht sitzen! Dieser Bereich ist dem Grafen und seiner Familie vorbehalten.«
    »Ihr wollt einem alten Mann das Sitzen verbieten?«
    »Um diese Zeit liegen alte Männer im Bett. Wenn Ihr eine Auskunft wollt, dann kommt morgen nach dem Gottesdienst zu mir.«
    Der Alte ist schon ein bisschen wirr im Kopf,
dachte Pater Anselm, der selbst schon alt, aber noch ganz klar im Kopf war. Er war ärgerlich, denn der Mann raubte ihm die Nachtruhe, und er überlegte, wie er ihn mit Geduld und guten Worten wieder loswerden konnte, denn mit Gewalt würde er bei der kräftigen Gestalt nichts ausrichten.
    »Nein, nein, diese Zeit ist mir gerade recht. Morgen früh muss ich bereits abreisen. Ein Mann wie ich kann sich nicht lange an einem Ort aufhalten. Er muss wandern, wandern. Aber nun zu den Auskünften. Es geht um eine gewisse Vanisha, die hier auf der Burg gelebt hat.«
    Pater Anselm erbleichte und wich an die Tür seiner Sakristei zurück. »Wer schickt Euch?«
    Der Alte erhob sich, er überragte den armen Pater um Haupteslänge. »Mich schickt mein Meister.«
    »Wer soll das sein, Euer Meister?«
    »Der Mann, der mich aufzog, nachdem dein Herr meine Eltern erschlagen hatte.«
    »Ich – ich kann mich an keine Vanisha erinnern.«
    Seine Stimme klang schrill.
    »Sie kam aus dem Heiligen Land. Und sie war die Geliebte des Grafen.«
    Der Pater bekreuzigte sich. »Wenn der Herr Graf sich mit dieser Vanisha einmal amüsiert haben sollte, dann hat er sie längst von der Burg gejagt. Zusammen mit den Kindern.«
    »Ach ja, mit den Kindern.« Der Alte wies auf die Sakristeitür. »Wollen wir uns nicht lieber dort drin weiter unterhalten?« Er warf einen Blick auf den Christus am Kreuz. »Wo Er uns nicht sieht und Eure Lügen nicht hören kann?«
    »Was fällt Euch ein …?«
    Doch der Alte hatte den Pater bereits an der Schulter gepackt, die Tür aufgedrückt und ihn mühelos in das Innere der Kammer geschoben. »Vielleicht sagt Ihr mir ja auch die Wahrheit«, fuhr er mit milder Stimme fort, während er den Pater mit sanfter Gewalt auf das Bett nötigte. »Ja, ich bin sogar sicher, ich werde sie von Euch hören.«
    »Wer – wer seid Ihr wirklich?«, stöhnte der Pater, er zitterte jetzt am ganzen Leib. »Ihr seid gar kein Sänger, nicht wahr?«
    »Aber sicher. Und in aller Bescheidenheit, ich glaube, ich bin sogar ganz gut.«
    Langsam zog sich Sinan die graue Perücke vom Kopf und riss sich den Bart ab. »Sinan al Abu Yahya al Karim«, stellte er sich mit einer leichten Verbeugung vor. »Spielmann und Sänger.«
    »Heiliger Josef!«, gurgelte der Pater.
    »Ja, ich bin einer jener Knaben, die Euer Herr geraubt hat. Aber von einem fröhlichen Wiedersehen kann wohl nicht die Rede sein.«
    Der Pater fasste sich an den Kopf. »Ich bin ein alter Mann, ich kann mich an nichts erinnern«, wimmerte er.
    »Da gibt es noch einen Haushofmeister. Der war auch

Weitere Kostenlose Bücher