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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Vanisha. Ich bin Sinan, der Sohn Abu Yahya al Karims, den du erschlagen hast.«
    Mit diesen Worten riss er sich Gewand und Perücke herunter.
    »Nein!«, gurgelte der Graf. Sein weingeschwängerter Kopf war nicht mehr in der Lage, zu begreifen, was mit ihm geschah. »Du bist meine Vanisha!« Mit ausgebreiteten Armen taumelte er auf Sinan zu, stolperte über die Kante des Teppichs und stieß gegen den Kamin. Seine Knie gaben nach. Gierig sprangen die Flammen ihn an, leckten über sein Gewand. »Hilf mir!«, schrie er vor Angst und Schmerzen. Sinan riss den Vorhang herunter und beobachtete, wie der Graf wild um sich schlagend durch das Zimmer lief. Eingehüllt in feurige Lohe mit brennenden Haaren glich er einem feuergeborenen Dämon. Sinan konnte seine Augen nicht von dem schaurigen Anblick wenden. Fasziniert starrte er auf den Mann, der nun vor der Tür zusammenbrach.
    »Vanisha, Vanisha!« Sein Flüstern erstickte im Prasseln des Feuers.
    Jetzt erst warf Sinan den Vorhang über seinen Körper, um die Flammen zu löschen. »Danke für die Darbietung, Graf«, murmelte er. »Ich kann nicht sagen, dass sie mich gelangweilt hat.«

Die Einladung
    Emanuel und Octavien saßen vor dem gewaltigen romanischen Bau des Mariendoms zu Speyer auf einer Steinbank und fütterten die Spatzen mit Brotkrümeln. Gegen Mittag hatten sie das Wormser Tor passiert und hier eine kurze Rast eingelegt. Sie schauten dem regen Treiben auf dem Platz zu und genossen es, sich nach einem verregneten Tag die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen.
    Emanuel beobachtete zwei Spatzen, die in einer Pfütze badeten, während Octaviens Augen ein schlankes Mädchen verfolgten, das offensichtlich auf dem Weg zum Markt war. Von rechts näherte sich in rascher Fahrt eine zweispännige Kutsche.
Prachtvolle Schimmel
, dachte Octavien und warf einen flüchtigen Blick auf das Wappen. Ein blauer Schild mit weißem Kreuz, gekrönt von der päpstlichen Tiara, war das nicht das Wappen des Speyerer Bistums? Er wandte den Blick wieder dem Mädchen zu, als die Kutsche plötzlich Staub aufwirbelnd mit knirschenden Rädern neben ihm zum Stehen kam. Am Fenster wurde ein Vorhang beiseitegeschoben, und eine Stimme rief: »Gott zum Gruße, edler Octavien de Saint-Amand und auch Euch, Bruder Emanuel!«
    Sie gehörte dem Kartäuserabt Nathaniel. Beide Männer erkannten ihn sofort. Octavien erhob sich, die Kutschentür öffnete sich, und der Abt trat heraus. »Wahrlich, das nenne ich eine treffliche Fügung. Gott segne Euch, Octavien. Willkommen in Speyer!« Mit ausgebreiteten Armen trat er auf Octavien zu und umarmte den Neffen seines Freundes Etienne. »Auch an Euch erinnere ich mich«, wandte er sich herzlich an Emanuel. »Wir haben uns in Altenberg getroffen.«
    Emanuel nickte kühl zur Begrüßung. Ja, die eindrucksvolle Persönlichkeit des Kartäusers war ihm im Gedächtnis geblieben. Damals hatte er seinen Vorschlag mit dem Kinderkreuzzug unterstützt. »Es war ein hartes Ringen«, erwiderte Emanuel steif, »doch der Segen des Herrn ruhte auf unserem Bemühen. Der Herr sei gelobt.«
    »Amen.«
    Nathaniel wies mit einladender Geste auf seine Kutsche. »Ich bin seit einigen Tagen Gast von Bischof Konrad, er war so freundlich, mir dieses Gefährt zur Verfügung zu stellen. Habt ihr schon eine Unterkunft?«
    »Wir sind gerade erst angekommen und wollten uns danach umschauen«, sagte Octavien.
    »Aber das kommt doch gar nicht infrage. Selbstverständlich seid ihr meine Gäste. Ich bin sicher, wir haben eine Menge Stoff, worüber es sich zu plaudern lohnt.«
    Octavien warf Emanuel einen fragenden Blick zu. Der nickte. Abzulehnen wäre ohnehin unhöflich gewesen, und außerdem war es sicher anregend, mit dem als hochgelehrt bekannten Abt eine Unterhaltung zu führen. Die kleine Unterbrechung ihrer Reise würde ihnen guttun.
    Sie bestiegen ihre Pferde und folgten der Kutsche.
    Der Bischof hatte dem Abt eine Anzahl Zimmer in seinem Bischofssitz zur Verfügung gestellt. Offensichtlich reiste er mit Gefolge. Doch von diesem war nichts zu sehen. Emanuel und Octavien wurden in eine Art Empfangszimmer gebeten, das in seiner Ausstattung einem königlichen Gesandten Ehre gemacht hätte.
    Der Abt trug weltliche Kleidung. Sein langes, weißblondes Haar trug er aus alter Gewohnheit wie die orthodoxen Priester in einem Nackenknoten gebunden, obwohl er einem katholischen Orden angehörte. Dass man ihm diese Gewohnheit ließ, bewies, wie geachtet er in kirchlichen Kreisen war. Seine Person

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