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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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strahlte eine natürliche Würde aus. Aus den klugen, grauen Augen sprachen Selbstvertrauen und Intelligenz, das willensstarke Kinn zeugte von Unnachgiebigkeit.
    Dennoch hatte er nichts von der Unnahbarkeit mancher Potentaten, er bewegte sich lebhaft und strahlte Zuversicht und Heiterkeit aus. Mit einer einladenden Handbewegung wies er auf eine Sitzgruppe am Fenster. »Ruht Euch aus. Ich lasse gleich eine Erfrischung bringen. Es ist recht warm heute und ziemlich drückend.«
    Emanuel wunderte sich über die außergewöhnlich herzliche Begrüßung. Octavien musste im Herzen des Abtes eine besondere Stellung einnehmen. Ihm schien allerdings, dass Octavien davon selbst nichts wusste.
    Die Erfrischungen stellten sich als opulentes Mahl heraus. Dazu wurden weiche Mundtücher gereicht und Schüsseln mit Rosenwasser. Beinahe hätte Octavien sein Lob ausgedrückt, zum Glück fiel ihm ein, dass solche Aufmerksamkeiten in diesem Hause natürlich selbstverständlich waren.
    »Habt Ihr Kunde von meinem Onkel?«, fragte er artig zwischen zwei Bissen von dem köstlichen Kapaun.
    »Wir sehen uns oft, es geht ihm gut. Er fragt viel nach Euch, Octavien. Neugierig ist er, ob Ihr etwas erreicht habt.«
    »Erreicht?«, fragte Octavien und hätte vor Schreck beinahe den Kapaunschenkel in die Soße fallen lassen.
    »Aber ja. Erinnert Ihr Euch nicht mehr? Ihr wolltet eine Reliquie finden, die den erlahmten Kreuzzugswillen wiederbelebt hätte.«
    Octavien lächelte verkrampft. Musste sich der Abt gerade daran erinnern? »Ich sagte nur, dass es da eine Spur gäbe.«
    »Ja, einen Brief. Seid Ihr dieser Spur nachgegangen?«
    Octavien warf einen raschen Blick auf Emanuel, der mit nichtssagender Miene eine Zwiebel aus der Rotweinsoße fischte, so als habe er überhaupt nicht gehört, worum es bei dem Gespräch ging.
    Umständlich säuberte Octavien seine fettigen Hände mit einem Tuch. »Das bin ich. Dabei habe ich mich von Bruder Emanuel unterstützen lassen, um dessen geistlichen Beistand ich gebeten habe.«
    »Da habt Ihr Euch einen klugen Kopf geholt, bravo. Und seid ihr erfolgreich gewesen?«
    Emanuel spielte immer noch den Unbeteiligten, und Octavien tupfte sich sorgfältig die Mundwinkel. »Wie man es nimmt. Das Relikt, um das es in dem Brief ging, haben wir tatsächlich gefunden. Leider stellte es sich als ein Kochrezept für die arabische Küche heraus.«
    Jetzt fiel die Spannung von Emanuel ab. »Ihr könnt Euch denken, ehrwürdiger Abt, was für lange Gesichter wir gezogen haben.«
    Der Kartäuser lachte »Ja, das kann ich mir denken. Aber bitte, nennt mich Bruder Nathaniel. Jemand wie Ihr, der gerade auf den Straßen tausendfachen Triumph feiert, kann auf solche Förmlichkeiten verzichten.«
    Tausendfachen Triumph? Was meinte der Abt?
Emanuel war ein wenig irritiert, und das stand ihm offensichtlich ins Gesicht geschrieben.
    »Der Kinderkreuzzug, Bruder Emanuel! Ihr wart es doch, der auf der Versammlung den Funken gezündet hat, der dann zu einer Flamme wurde. Zu einem begeisterten Aufschrei im ganzen Land, ja in ganz Europa. Wusstet Ihr, dass sich von Paris aus ebenfalls ein Zug der Kinder in Bewegung gesetzt hat? Ein Junge namens Stephan führt ihn an. Der Heilige Geist hat sich der Kinder angenommen. Das ist Euer Werk, Emanuel! Das Werk, das Ihr zur Ehre Gottes begonnen habt, trägt Früchte.«
    Emanuel war überrascht über das außerordentliche Lob, aber auch zwiegespalten, denn er konnte es nicht so genießen, wie er gewollt hätte. Wohl hatte er den Kreuzzug angeregt, aber sein weiterer Verlauf hatte ihn aus guten Gründen nicht mehr interessiert.
    »Natürlich verfolge ich gerührt und mit großer Freude, wie die Kinder mit ihrem glühenden Eifer und ihrem unerschütterlichen Glauben den übrigen ein Beispiel geben. Aber ich selbst bin nur ein einfacher Zisterziensermönch ohne Einfluss. Andere, die würdiger sind als ich, haben das meiste zu diesem Erfolg beigetragen.«
    »Seid nicht so bescheiden, Bruder Emanuel. Euer Einfluss auf die Versammlung war nicht unbedeutend, zumal Ihr sogar Hengebach überzeugt habt.«
    »Und Euch ebenfalls, wie es den Anschein hatte.«
    Der Abt nippte etwas Wein aus einem kostbaren Muranoglas. »So ist es. Inzwischen dürfte der Zug die Alpen erreicht haben, nicht wahr?«
    »Mit Gottes Hilfe«, murmelte Emanuel.
    »Natürlich werden die meisten dort umkommen«, fuhr Nathaniel unbekümmert fort. »Aber das gehört zu Gottes Plan. Wir sind nur seine unwürdigen Werkzeuge.«
    Verunsichert sah

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