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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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den Mann selbst? Fast wären Wir geneigt, die Fackel selbst an seinen Holzstoß zu legen.«
    »Es gibt Gründe, Heiliger Vater.«
    Savelli genoss das Vertrauen des Papstes und diente ihm schon seit seinem Amtsantritt. Er fürchtete sich nicht davor, die Dinge auszusprechen und sie beim Namen zu nennen. »Das Volk von Rom liegt ihm zu Füßen. Wohin er auch kommt, wo er sich auch zeigt, auf dem Aventin, beim Capitol, in Trastevere oder auf dem Esquilin, es ist überall das Gleiche. Zu allem Unglück besitzt er eine – bitte um Vergebung – christusähnliche Gestalt und viel Charisma.«
    »Und deshalb sollen Wir ihn dulden?«, polterte Innozenz dazwischen. »Dergleichen wissen Wir bereits von unserem Vikar in Lucca, auch dort hat der Mönch bereits sein Unwesen getrieben.«
    »Ich rate lediglich zu äußerster Vorsicht. Die Römer lieben die Kurie nicht. Wir müssen mit diesem Problem behutsam umgehen.«
    »Ach was! Die Römer haben schon immer auf die Kirche geschimpft. Sie sind boshaft und verstockt, und die Senatoren hoffen auf Beistand von den Staufern. Aber der Thronfolger Friedrich ist noch ein Kind und steht unter Unserer Vormundschaft. Wer also soll ihnen zukünftig beistehen?«
    »Dennoch …«
    »Nein!« Eine barsche Handbewegung unterbrach Savelli. »Wir dulden diesen nachgemachten Christus auf keinen Fall in Unserer Stadt. Aufstände müssen eben niedergeschlagen werden.«
    Savelli schlug die Augen nieder, aber nicht aus Demut, sondern um sich zu sammeln. Innozenz hatte manchmal Wutanfälle, die allgemeine politische Lage gab ihm sicherlich Grund dazu, aber Savelli wusste mit ihnen umzugehen. »Da wäre noch ein weiterer Umstand«, bemerkte er gleichmütig. »Dieser betrifft das Pergament. Was, wenn es sich dabei nicht um das Hirngespinst dieses Mönches handelt? Was, wenn sich herausstellt, dass es …« Savelli zögerte und faltete die Hände wie zum Gebet. »Dass es die wahren Worte unseres Heilands sind?«
    Jetzt lief das Gesicht des Papstes purpurn an. »Savelli! Seid Ihr besessen? Diesen – diesen Unflat hat sich dieser Mensch doch ausgedacht!«
    »Wir sollten alle Möglichkeiten in Betracht ziehen«, erwiderte Savelli ungerührt.
    »Aber lest doch nur das letzte Gebot hier.«
    Innozenz tippte heftig mit dem Finger darauf. »Du sollst die Andersgläubigen nicht verachten, denn viele Wege führen zu Gott.«
    Das hätte Jesus niemals gesagt. Außerdem ist es Uns neu, dass er Lateinisch gesprochen hätte. Selbst wenn einer seiner Jünger dieser Sprache mächtig gewesen wäre, so hätte er ein Vermächtnis Jesu niemals in der Sprache des gehassten Feindes verfasst.«
    »Das ist mir klar. Der Mönch behauptete jedoch, es existiere ein altes Pergament auf Aramäisch. Dieses hier sei lediglich die Übersetzung.«
    »Lüge!«, schrie Innozenz, »alles …« Jäh verstummte er. »Ein altes Pergament?«, wiederholte er leise, »das kann doch nicht sein! Woher soll der Mönch das denn haben?«
    »Die neun Tempelritter, die den Orden gegründet haben, sollen es bei ihren Ausgrabungen im salomonischen Tempel gefunden haben.«
    Innozenz stieß einen ächzenden Laut aus und starrte ins Leere. Die Nachricht hatte ihm einen solchen Schock versetzt, dass seine Ohren vorübergehend ertaubten und ihm Blut wie Eiswasser durch die Adern rann. »Das wäre entsetzlich«, flüsterte er. »Das wäre …« Er starrte Savelli hilflos an, und dieser nickte. »Ja, Heiliger Vater, es wäre der Untergang der wahren katholischen Kirche.«
    Innozenz überkam ein unheimliches Frösteln. Er war kein tief gläubiger Mensch im Sinne Jesu. Als Machtmensch glaubte er an sich selbst und daran, dass Gott ihn auserwählt habe, die Kirche zu dem mächtigsten Instrument auf Erden zu machen. Er glaubte an einen Gott des Innozenz.
    Ein Pergament, das die Worte des Herrn trug? Konnte es das geben? Vielleicht war Jesus nicht der Messias gewesen, vielleicht nur ein unwichtiger Rabbi und Zimmermannssohn. Aber vielleicht auch nicht. Und dieses ›Vielleicht‹ besaß ein zentnerschweres Gewicht. Tausend Jahre Christentum, tausend Jahre ein Heiland am Kreuz, das war selbst am Papst nicht spurlos vorübergegangen.
    »Dann beschafft Uns das Original! Sofort! Und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    Savelli überhörte den fehlenden Pluralis Majestatis. »Ich verstehe es, jedoch rate ich, nichts zu überstürzen. Wenn wir dem Mönch das Geheimnis unter der Folter entreißen, wird es nicht unbemerkt

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