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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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festnehmen lassen.«
    »Man fürchtete es?«
    »Ja. Das Volk hätte sich gegen jeden erhoben, der Hand an den Mönch gelegt hätte. Es war völlig verblendet, es hielt ihn für den wahren Christus.«
    »Unglaublich! Das haben wir alles diesem unsinnigen Kinderkreuzzug zu verdanken, der eine allgemeine Hysterie ausgelöst hat. Wir werden unserem Bruder in Ravenna schreiben, er soll rasch in dieser Sache tätig werden.«
    »Ich danke Euch, Heiliger Vater. Allerdings ist der Mönch von einem auf den anderen Tag aus Lucca verschwunden. Viele wollen gesehen haben, wie er auf einer leuchtenden Wolke zum Himmel aufgefahren ist.«
    Innozenz machte eine verächtliche Handbewegung. »Das Volk ist leicht zu beeindrucken. Wahrscheinlich hält er sich erst einmal verborgen, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten. Bischof Albertus soll diesen Unruhestifter, diesen im Wahn Befangenen dingfest machen und seiner gerechten Strafe zuführen. Hart soll sie sein, damit die Seele dieses Mannes um so leichter zu Gott findet.«
    ***
    Sinan war von Rom enttäuscht. War das die Stadt, von der er geträumt hatte? Er hatte gehofft, hier den Odem der Ewigkeit leibhaftig zu spüren. Aber alles, was er entdeckte, waren staubige Straßen und lärmende Marktplätze, auf denen Händler mit Reliquien, Amuletten und Heiligenbildern schacherten. Wo einst würdige Senatoren in rotgeränderten Togen wandelten, standen jetzt die Zelte der Gaukler und Spielleute. Unter zerfallenen Marmorbögen hausten Bettler, und wo das stolze Volk von Rom sich vor den Tribünen großer Redner versammelt hatte, warteten Elendsgestalten in langen Schlangen auf einen Teller Suppe.
    Zwischen den festungsartig mit hohen Türmen versehenen Herrensitzen alter römischer Adelsfamilien lagen Gärtnereien, Weinberge und Viehweiden verstreut, Rom war zu Bauernland geworden. Statt vierstöckiger Stadthäuser und prächtiger Villen dehnten sich von Unkraut bewachsene Flächen, an einigen Stellen gequert von Resten einer gepflasterten alten Römerstraße. Geborstene Treppenstufen führten in verschüttete Schächte; von Theatern und Thermen standen noch einzelne Säulen und zerbröckelnde Architrave. Gassenjungen spielten auf den Treppenfluchten alter Paläste, wildes Getier huschte über Mosaikböden, zwischen marmornen Grabstätten großer Geschlechter hatten Landstreicher und Diebe ihr Domizil aufgeschlagen. Nur hier und da leuchtete, unter Gestrüpp und Unkraut verborgen, weißer Marmor, als breche aus uraltem Boden die stolze Vergangenheit wie ein hoffnungsvolles Licht empor.
    Die erhabenen römischen Ruinen standen noch. Das Forum, das Kapitol, das Colosseum, die Trajanssäule, die Triumphbögen und die Engelsburg. Sie sprachen von einstiger Größe, aber leise, als schämten sie sich der Gegenwart.
    Sinan war entsetzt. Die Stadt war zu einem Dorf herabgesunken, die sich ihrer Vergangenheit nicht einmal mehr bewusst zu sein schien. Das ewige Rom war längst nicht mehr caput mundi, das Haupt der Welt, die wichtigen Ereignisse spielten sich woanders ab, nicht in diesem staubigen Nest voller ehrwürdiger Schutthalden, auf denen Spitzwegerich und Brennnesseln wucherten. Diese Stadt, die zur Zeit der Cäsaren eine Million Einwohner gezählt hatte, beherbergte vielleicht noch vierzigtausend. Nur als Wallfahrtsort hatte Rom nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Die Menschen strömten in die Ewige Stadt, um die Apostelgräber des Petrus und Paulus zu besuchen. Daneben wimmelte es von Mönchen, Priestern und anderen geistlichen Würdenträgern, doch von diesen frommen Kirchendienern schien kein Funke auf die Bevölkerung überzuspringen. Die Römer, sofern sie nicht von päpstlicher Wohltätigkeit lebten, schienen der Kirche gegenüber gleichgültig oder aufmüpfig zu sein.
    Konnten das zukünftige Anhänger von Mithras sein? Die Stadt war bedeutungslos und verdorben, das hatte er schnell erkannt. Jenes Rom, das er aus den Büchern kannte, gab es nicht mehr. Es war nur noch ein Symbol, doch als solches besaß es immer noch den alten Glanz. Seine Wurzeln lebten noch. Unsichtbare Machtfäden spannten sich immer noch über das Land. Wer sie in der Hand behielt, der konnte daraus wieder ein dichtes Netz knüpfen und Rom erneut zum Haupt der Welt machen. Zu einem wahrhaft neuen Babylon!

Die Fälschung
    Die Templerherberge ›Zum Heiligen Georg‹ auf dem Esquilin war ein schmuckloses Haus mit vielen Zimmern, einem Hof mit einem Brunnen und einem Stallgebäude. Die Zimmer waren so

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