Schatten eines Gottes (German Edition)
bleiben. Er ist bereits zu bekannt, außerdem fürchte ich, dass sogar einige Folterknechte sich weigern könnten, Hand an ihn zu legen. Es sind rohe, aber ungebildete Gesellen, jeglichem Aberglauben zugetan. Ich fürchte, sie würden sich fühlen, als müssten sie Jesus abermals ans Kreuz schlagen.«
Innozenz schnaubte verächtlich, aber er unterbrach Savelli nicht.
»Außerdem würden wir der Sache ein Gewicht verleihen, die sie bis jetzt noch nicht hat. Man würde sich fragen, weshalb der Kurie so sehr an dem Pergament gelegen ist, wenn es sich doch nur um eine billige Fälschung handelt.«
»Es muss eine Fälschung sein! Doch um sicherzugehen, brauchen Wir das Original.«
»Vielleicht auch nicht. Bevor wir uns mit dem Mönch selbst befassen, schlage ich vor, diese lateinische Übersetzung prüfen zu lassen. Ein belesener und gebildeter Mann könnte vielleicht schon anhand der Syntax, des Stils oder anderer Merkmale erkennen, ob das Original echt oder falsch ist.«
Innozenz nickte nachdenklich. »Ihr habt recht, Savelli. Wir sind Euch außerordentlich dankbar für Eure Besonnenheit und Euren klugen Rat. Gewaltige Lasten ruhen auf Unseren Schultern, doch wir sind bereit, noch mehr zu tragen, wie auch der Herr sein Kreuz auf den Hügel Golgatha trug, ohne zu klagen.«
Wobei er dreimal stürzte,
dachte Savelli flüchtig.
»Aber auch eine Fälschung würde der Kirche Schaden zufügen können, nicht wahr?«, fuhr Innozenz fort. »Diese neuen Gebote sind so – sie sind so verführerisch für die Massen und wären ein furchtbares Instrument in den Händen unserer Feinde.«
»Ja, aber wenn wir in dieser Sache Sicherheit haben, können wir unsere Gegenstrategie besser planen.«
»Und wen schlagt Ihr für die Beurteilung vor? Es muss jemand sein, dem Wir absolut vertrauen können, außerdem muss er sich mit den damaligen Gepflogenheiten auskennen und mit Land und Leuten.«
»Dazu wäre wahrscheinlich nur ein jüdischer Rabbi in der Lage.«
»Ihr meint, Wir sollten es einem Ungläubigen zu lesen geben?«
»Ein Jude hat weniger Grund, Euch zu schaden als mancher Christ, Heiligkeit.«
Innozenz bedachte sich eine Weile. Dann nickte er. »Uns ist ein Mann in der jüdischen Gemeinde bekannt, dem der Ruf eines gelehrten Mannes vorausgeht. Jehuda ben Abischai. Soviel Wir wissen, ist er Vater von acht Kindern, und ich nehme an, er hängt an ihnen.« Die Augen des Papstes verengten sich. »Ja, das dürfte eine gute Wahl sein.«
***
Jehuda ben Abischai beugte sich über das Pergament. Sein Haar war bereits weiß, aber seine Augen noch die eines Jünglings. Er benötigte keine Sehhilfe, um die Buchstaben zu entziffern. Als er hörte, er sei in den Lateranpalast befohlen, hatte ihn das befremdet, aber als er erfuhr, dass er einen alten Text begutachten sollte, war er beruhigt. Er hatte sich knapp vor dem großen Innozenz verneigt und gefragt: »Wo ist das Pergament?«
Den Hinweis des Papstes, er müsse über den Inhalt strengstes Stillschweigen bewahren, quittierte er mit einem Achselzucken. »Das ist selbstverständlich.«
»Du brächtest deine Familie sonst in eine große Gefahr.«
»Ich sagte bereits, dass ich kein Schwätzer bin. Darf ich das Pergament nun sehen?«
Innozenz war solche Worte nicht gewohnt, aber was sollte man von einem Ungläubigen anderes erwarten? Er reichte ihm das Pergament und sagte: »Ihr sollt mir sagen, ob dieser Text hier von der Hand eines Jüngers Jesu stammen kann.«
Jehuda genügt ein Blick. »Nein, kein Jude hätte so etwas auf Lateinisch geschrieben.«
»Das wissen Wir. Das Original ist auf Aramäisch verfasst, aber Wir können ein heiliges Pergament unmöglich den Augen eines Ungläubigen aussetzen. Lest es sorgfältig durch und sagt Uns, ob Ihr darin einen Fehler entdeckt, der es als Fälschung entlarven würde.«
Jehuda brummte etwas und begann zu lesen. Nicht lange, und er legte das Pergament vor dem Papst nieder und sagte: »Der Text ist eine Fälschung. Das kann ich mit gutem Gewissen behaupten.«
»Seid Ihr völlig sicher?«, stieß Innozenz heiser hervor, wieder erschienen die roten Flecken an seinem Hals. »Und woran wollt Ihr das erkennen?«
»An der Abschlussformel. Seht, hier schreibt der Verfasser:
So gehört und niedergeschrieben im Jahre dreitausendsiebenhundertvierundneunzig nach Erschaffung der Welt im neunzehnten Regierungsjahr des römischen Kaisers Tiberius, als Herodes Antipas Tetrarch war in Galiläa, von Levi, genannt Matthäus, Sohn des Alphäus und
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