Schatten eines Gottes (German Edition)
sparsam ausgestattet wie eine Mönchszelle. Büschel welkenden Grases umrahmten einen staubigen Hof. Alles war von einer tristen Mauer umgeben. Am Tor standen vier bewaffnete Wächter, als müssten sie die Schätze König Salomos bewachen, dabei gab es hier nichts als abgestandene Essensgerüche, erschöpfte Pilgergesichter und Männerschweiß. Als Octavien sich bei seiner Ankunft am Brunnen waschen wollte, wurde er rasch eines Besseren belehrt. Der sei nur als Trinkwasser für die Menschen und die Pferde da. Wo er sich denn waschen könne? Das hielte man hier für unnötig, aber wenn er unbedingt wolle, es gebe Bäder in Rom.
Vielleicht sollte er tatsächlich in ein Badehaus gehen, überlegte Octavien. In seiner Heimat hätte er diese Stätten gemieden, doch man hatte ihm versichert, dass die römischen Bäder auch für Edelleute angemessen seien.
Emanuel und Bernardo waren mit der Herberge zufrieden. Während es Bernardo hinauszog, um den Römern das wahre Evangelium zu predigen, verwandelte sich Emanuel wieder in einen Zisterziensermönch. Er legte seinen Habit an und ließ sich eine Tonsur scheren. Damit verriet er die Bruderschaft nicht, es war im Gegenteil geboten, die Tarnung als frommer Christ so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Außerdem fühlte er sich in dem alten Kleidungsstück wohler, wenn er die Pilgerkirchen Roms besuchte, was sein vorrangiges Ziel war.
Die Sache mit der Bruderschaft war aus dem Ruder gelaufen. Emanuel hatte nicht die geringste Vorstellung, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden und was der undurchsichtige Kartäuserabt, der Meister, wie Sinan ihn nannte, plante. Das Pergament schien in den Hintergrund gerückt zu sein, mit Sinan und Bernardo hatten weitere Spieler die Bühne betreten. Die Würfel wurden neu geworfen, die Lose neu verteilt, und welche Rolle ihm selbst dabei zukam, war völlig offen. Der Traum vom Aufstieg hatte sich wieder einmal zerschlagen.
Es war bereits dunkel. Ein Mönch klopfte an die Pforte der Herberge und begehrte Einlass. Das Haupt hatte er unter einer Kapuze verborgen. Er wünschte den Bruder Emanuel zu sprechen. Ja, den Zisterzienser, der mit dem Ritter de Saint-Amand eingetroffen war, aber unter vier Augen.
Man führte ihn in das Besucherzimmer. Kurz darauf erschien Emanuel. Was wollte dieser unbekannte Mönch von ihm? Die dunkle Kutte konnte er keinem Orden zuweisen. Doch dann schlug der Mönch die Kapuze zurück, und Emanuel wich erschrocken zurück. Es war Nathaniel! Der Mann, der ihn unbarmherzig geopfert hätte. Der Meister des Lichtes hatte sich persönlich herbemüht. Plötzlich schien die Luft so dick wie Brotteig. Emanuel stellte sich innerlich auf höchste Wachsamkeit ein und tat einen vorsichtigen Atemzug, denn in seinem Kopf wirbelten die Gedanken umher wie welkes Laub in einer Windbö.
»Was für eine Überraschung«, begrüßte er den Abt kühl.
Dieser antwortete mit einem Lächeln, so sanft wie ein Sommerregen. »Ich hörte, Ihr seid wieder in Rom, aber ich habe vergeblich auf Euren Besuch gewartet, also bin ich zu Euch gekommen. Ich erfuhr unerhörte Neuigkeiten. Ihr seid Sarmad, Sinans Bruder. Deshalb heiße ich Euch doppelt herzlich bei uns willkommen. Auf verschlungenen Wegen habt Ihr zu uns gefunden, vom Irrtum kamt Ihr zum Licht.«
»Ein Licht, das meine Folter und meinen Tod beleuchten sollte«, gab Emanuel wütend zurück.
Nathaniel hob beschwichtigend die Hände. »Ein grandioser Irrtum. Sinan sollte Euch lediglich drohen, ich hätte niemals geduldet, dass er Euch etwas antut.«
Emanuel glaubte Nathaniel kein Wort. »So eine Drohung ist bereits Folter genug.«
»Gewiss. Aber ich war in einer äußerst schwierigen Lage. Durch Eure Fälschung wurde ich vor meinen Freunden und Anhängern schwer gedemütigt. Ich weiß, das hattet Ihr nicht beabsichtigt, aber was hätte ich damals denken sollen? Wohl sind wir eine große Gemeinschaft edler Männer, die unserer Zeit im Denken weit voraus sind, doch vergesst niemals, dass diese Gemeinschaft eine zerbrechliche Konstruktion ist und bleiben wird, solange sie im Geheimen wirken muss. Ein Funke, mag er Verrat oder mangelnde Vorsicht heißen, kann zu einem Brand werden. Das Wertvolle würde verbrennen, die Schlacke übrig bleiben.«
»Das Papsttum?«
»Ihr sagt es. Heute sind wir klüger, und ich bin gekommen, um mich bei Euch zu entschuldigen. Ich hätte Euch mehr vertrauen müssen. Euch und Octavien.«
»Das sind schöne Worte. Doch ich frage mich, wie aus einer so
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