Schatten eines Gottes (German Edition)
Die Hexe von St. Stephan!«
Auch Agnes hatte den Mann erkannt. Es war der Mönch aus Mainz, der so bereitwillig seinen Habit gelüftet hatte, und nun dastand, als sei ihm der leibhaftige Gottseibeiuns erschienen. Sie erhob sich lächelnd und knickste. »Gott zum Gruße, Herr Mönch. Ich glaube, wir kennen uns. Leider weiß ich Euren Namen nicht. Ich …«
Emanuel war kreidebleich, er bekreuzigte sich unablässig und wäre wohl auf der Stelle geflohen, wäre nicht der Pater an seiner Seite gewesen. »Ihr – Ihr …«, stieß er hervor, ohnmächtig, seinen Satz zu vollenden.
»Seht mich doch nicht so an, als sei ich eine männerfressende Unholdin. Wenn Ihr Euch erinnert …«
»Erinnern?«, krächzte Emanuel. »Ihr wagt es, mir unter die Augen zu treten? Weshalb verfolgt Ihr mich?«
Agnes schüttelte mitleidig den Kopf. »Ich verfolge Euch? Wie kommt Ihr darauf?« Sie warf dem Pater einen Blick zu und rollte mit den Augen.
»Wer ist diese Frau?«, fragte dieser Emanuel.
»Eine Plage, die mir aus der Hölle geschickt wurde. Fort! Sie muss fort von hier. Sie entweiht jede Kirche mit ihrer Anwesenheit.«
Agnes stemmte die Hände in die Hüften. »Na, das ist ja eine Unverschämtheit. Ihr wolltet es doch selber, sonst hättet Ihr ja weglaufen können.«
»Schweigt!«, kreischte Emanuel. »Schweigt auf der Stelle. Kann denn niemand diese Weibsperson von hier entfernen?«
Der Pater schaute irritiert von einem zum anderen. Man war bereits auf sie aufmerksam geworden. Er legte Agnes sanft den Arm auf die Schulter. »Geht, junge Frau, es ist besser so. Ihr seht es ja selbst, dem Bruder geht es nicht so gut.«
»Sehe ich«, erwiderte Agnes schnippisch, »vielleicht sollte der Bruder mehr Rosenkränze beten, damit ihm die Dämonen aus dem Unterleib fahren.«
Sie drehte sich um und wäre beinahe Ulrich in die Arme gelaufen, der herbeigeeilt kam. »Was gibt es denn?«
Agnes strebte dem Ausgang zu. »Ach nichts. Ein Mönch, der kleine Teufelchen vom Himmel regnen sieht. Kommt von den vielen Nachtwachen auf kaltem Steinfußboden.«
Sie stand auf den Kirchenstufen und blickte in die sinkende Abendsonne
. Dieser verrückte Mönch!,
dachte sie.
Statt sich für die wohltätige Behandlung zu bedanken, hatte er mich beschimpft, aber so sind die Männer eben, genau wie Octavien –
Octavien? Ein Geistesblitz durchzuckte sie. War der Templer nicht der Begleiter dieses Mönches gewesen? Was, wenn er ebenfalls in Rom war? Jäh drehte sie sich zu dem Schreiber um. »Der Mönch! Wir dürfen ihn nicht aus den Augen verlieren!« Sie stürmte zurück in die Kirche, Ulrich hinterdrein. Agnes sah sich nach allen Seiten um. »Wo ist er hin?«
Der schwarz gekleidete Pater erschien – allein. Er starrte Agnes an, als habe sie die Absicht, die Kirche niederzubrennen.
»Wohin ist der Mönch gegangen?«, stieß Agnes atemlos hervor.
Der Pater sah sie abweisend an »Er will mit Euch nichts zu tun haben. Bitte verlasst die Kirche!«
Agnes unterdrückte einen Fluch und rannte wieder hinaus. Ulrich folgte ihr auf dem Fuße. »Was willst du denn von ihm?«
»Ach! Ich wollte ihn etwas fragen. Ich kenne ihn aus Mainz, weißt du.«
»Er schien nicht gerade erfreut über euer Wiedersehen.«
»Ha, ich bin seiner Keuschheit zu nahe getreten, was ihm nicht schlecht gefallen hat, doch jetzt will er davon nichts mehr wissen. So sind die Männer.«
»Nicht alle«, murmelte Ulrich und wurde rot.
Der Mönch jedoch war verschwunden. Agnes hätte gern bei ›Zum Heiligen Georg‹ nach Octavien gefragt, aber das wäre doch zu unschicklich gewesen. Außerdem ließ ihr Stolz das nicht zu. Nein, sie würde keinem Mann mehr hinterherlaufen.
***
Emanuel flüchtete mit wehenden Rockschößen aus der Kirche und rannte blindlings in die nächste Gasse. Dort hielt er sich, nach Atem ringend, an einem eisernen Türklopfer fest und sah sich um. Die Gasse war leer, die Mänade verfolgte ihn nicht. Auf der gegenüberliegenden Seite erblickte er eine kleine Kapelle, er stolperte auf sie zu und ließ sich in dem halbdunklen, nur von zwei Kerzen erhellten Raum, auf die Knie fallen. Aber nicht zum Beten, obwohl er mechanisch seine Hände faltete. Nicht der aufgemalte Christus an der Wand, nicht die kleine hölzerne Marienstatue, von der die Farbe abgeblättert war, spendeten ihm Trost, nur die Abgeschiedenheit dieses Raumes. Er brauchte Ruhe, denn je länger er in dieser Kapelle kniete, desto klarer wurde ihm, dass er sich wieder einmal wie der kleine Hubert
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