Schatten eines Gottes (German Edition)
des Klosters waren Benediktiner.
Vor der Kapelle, die von den Kardinälen immer wieder aufgesucht wurde, waren die Wächter verschwunden. Die Kardinäle wollten sich offensichtlich nicht ständig in ihrem Tun beobachten lassen. Sinan behielt die Kapelle im Auge. Sie war der schwache Punkt in der bewachten Anlage.
In dieser Nacht hatten sich alle Kardinäle und einige Mönche zur Komplet in die Kapelle begeben. Die Tür blieb unbewacht, aber außerhalb der Mauer, die an die Kapelle grenzte, standen zwei Wachposten. Sie hatten wahrscheinlich die Pflicht, beim Rundgang auf die Umgebung zu achten, aber jetzt standen sie beieinander und unterhielten sich. Wahrscheinlich war das, was im Kloster passierte, auch für sie spannend. Sinan wartete, bis die Komplet beendet war und alle die Kapelle verlassen hatten. Demütig, den Kopf gesenkt, näherte er sich den beiden. Die hielten ihn für einen Klosterinsassen, und als Sinan ihnen im Vorbeigehen einen frommen Wunsch zumurmelte, bedankten sie sich und nickten ihm zu. Der eine jedoch rief: »Ihr solltet das Kloster zur Nacht nicht verlassen, es gibt eine Ausgangssperre.«
»Oh ja, ich weiß«, erwiderte Sinan, während er nach seinem Dolch unter der Kutte tastete. »Eine arme Frau lag auf den Tod danieder und bat um einen Priester. Sie starb heute Abend. Gott sei ihrer Seele gnädig.« Sinan bekreuzigte sich, und die Männer taten es ihm spontan nach. Ein tödlicher Fehler. Während sie abgelenkt waren, sprang Sinan sie an wie ein ausgehungerter Wolf. Dem Ersten stach er das Messer tief in den Hals und trat dem anderen mit dem ausgestreckten Bein das Schwert aus der Faust. Während dieser noch verblüfft auf seine leere Hand starrte, stellte Sinan rasch seinen Fuß auf das Schwert. Der Mann wich an die Mauer zurück. Er warf einen entsetzten Blick auf seinen Gefährten, der am Boden lag und noch röchelte. Als Sinan sich bückte, um das Schwert aufzuheben, wollte er seinen Hirschfänger ziehen, doch da fuhr ihm Sinans Dolch in die Gurgel, und er glitt langsam an der Wand herab. Es war sein Pech, dass Sinan auch ein hervorragender Messerwerfer war. Sinan nahm das Schwert an sich, trat an den Mann heran und zog ihm den Dolch aus dem Hals. Die ganze Angelegenheit hatte nicht einmal eine Minute gedauert.
Seinen ursprünglichen Plan, sich als Wächter zu verkleiden, hatte er aufgegeben. Sein Benediktinerhabit würde ihm hier bessere Dienste leisten. Er zerrte die Leichen ins Gebüsch, verwischte seine Spuren und kletterte über die Mauer. Sie war schon alt. Wo der Mörtel herausgebrochen war, fanden seine Füße Halt. Von der Mauerkrone aus warf er einen Blick auf das Klostergelände. Die Wächter saßen an ihren Feuern und unterhielten sich leise. Sonst war niemand zu sehen. Das Dach der Kapelle stieß an die Mauer und befand sich etwa drei Fuß unter ihm. Danach war es ein Kinderspiel für ihn, die kleine Tür an der Seite zu erreichen, die in die Sakristei führte. Natürlich war sie verschlossen, aber Schlösser hatten für Sinan noch nie ein Hindernis dargestellt. Er schlüpfte in die Kapelle hinein. Nun galt es zu warten.
Octavien besucht Agnes’ Mutter
Octavien ritt in den Hof ein, übergab seinen Rappen dem Stallknecht und suchte seine Mutter auf. Sie befand sich in einer Besprechung mit dem Verwalter Lennhart. Octavien trat ein und scheuchte den Mann mit einer schroffen Kopfbewegung hinaus. Lennhart, der zur Gutsherrin ein entspanntes Verhältnis pflegte, fühlte sich brüskiert, er warf ihr einen fragenden Blick zu, doch Sieglinde schüttelte leicht den Kopf. Lennhart sollte sich nicht aufregen und einfach gehen. Das tat er auch, wobei er wütend aufstampfte und Octavien beinahe anrempelte. Es war offensichtlich, dass er über die Rückkehr des jungen Herrn nicht glücklich war. Doch Octavien beachtete den Verwalter nicht, er schlug die Tür geräuschvoll hinter ihm zu und trat mit festen Schritten auf seine Mutter zu, die an einem großen Tisch vor einem aufgeschlagenen dicken Buch saß. In ihm waren die Einnahmen und Ausgaben des Gutes verzeichnet. Sieglinde legte den Federkiel betont gelassen zur Seite. »Setz dich«, sagte sie kühl und wies auf einen Stuhl mit hoher Lehne, auf dem Lennhart vorher gesessen hatte. »Ich mag es nicht, wenn du auf mich herabschaust.«
Octavien ließ sich ohne nachzudenken auf den Stuhl fallen, das hieß, ohne ihn vorher mit einem Tuch abzustauben. »Du hast Agnes hinausgeworfen?«
Sieglinde klappte das Buch mit einem dumpfen Laut
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