Schatten eines Gottes (German Edition)
wirklich Mönch werden oder dem Templerorden beitreten? Ihn hatten doch hoffentlich nicht alle guten Geister verlassen, nur weil sie weggelaufen war?
Doch dann kam er. Er stand in der Tür. Lachte, breitete die Arme aus. Und Agnes flog ihm entgegen. Sie hielten sich umschlungen, sie sagten nichts. Alles war schon gesagt, alles war schon hundertmal durchdacht, gewogen und vermessen worden. Sie hatten einander und wussten, dass sie damit das Beste besaßen. Nichts mehr konnte ihre Liebe aus den Angeln heben, nichts mehr sie trennen.
Der Schreiber räusperte sich. Alles hatte seine Grenzen. »Was wird nun aus der Frau, Herr Ritter? Werdet Ihr jetzt mit ihr St. Marien verlassen?«
»Ja, aber nicht sofort. Ich will Agnes zuerst Neubabylon zeigen.« Er wandte sich ihr zu. »Du wirst staunen, was sich hinter dem Kloster noch alles verbirgt.«
Der Schreiber runzelte die Stirn. Er erhob sich und kam hinter dem Tisch hervor. »Wie könnt Ihr zu einer Außenstehenden von Neubabylon sprechen?«, rügte er Octavien streng. »Und dazu noch vor einer Frau? Und überhaupt, dass sie die Stadt betritt, ist völlig ausgeschlossen.«
Octavien sah ihn betroffen an. Davon hatte er nichts gewusst. Frauen bei Mithras, darüber war in seiner Gegenwart nie gesprochen worden. »Aber Ihr müsst eine Ausnahme machen«, beharrte er. »Sie ist meine Braut.«
»Ausnahmen gibt es nicht«, schnarrte der Schreiber und warf Agnes missbilligende Blicke zu.
Agnes trat auf ihn zu, bis ihr Gesicht ganz nah an seinem war. »Das wollen wir doch mal sehen, Mönchlein. Ganz offensichtlich ist Neubabylon eine Stadt und kein Kloster, oder irre ich mich da?«
»Ihr irrt Euch nicht, aber sie gehört der Mithrasbewegung.«
»Gehörst du dazu?«, fragte sie Octavien.
Dieser nickte beklommen. Er ahnte, was auf ihn zukam.
»Dann trete ich dieser Bewegung auch bei.«
»Frauen sind nicht zugelassen«, sagte der Schreiber, während er zwei Schritte zurücktrat und sich den Schweiß von der Stirn wischte.
»Ach! Und warum nicht?«
Octavien rollte mit den Augen. Er hütete sich, ein Wort zu dieser Auseinandersetzung beizusteuern, dabei konnte er nur verlieren.
»Weil es eine religiöse Bewegung ist, die Männern vorbehalten ist.«
»Was ist denn das für eine dumme Religion, die nur für Männer da ist?« Sie funkelte Octavien an. »Und du bist auch dabei?«
»Nur oberflächlich, eigentlich …«
»Also, es gibt hier eine Stadt, in der nur Männer wohnen«, unterbrach sie ihn wütend. »Weshalb hast du nicht an einem anderen Ort auf mich gewartet, wo man mich willkommen heißt?«
»Ich habe von dem Verbot nichts gewusst.«
»Aha. Das macht nichts. Wir werden nämlich trotzdem hineingehen, weil ich sehen will, wer hier wohnt und was hier ausgebrütet wird.« Sie starrte dem Schreiber ins Gesicht. »Oder lasst Ihr mich dann festnehmen?«
»Hier geschieht nichts Ungesetzliches, Agnes. Traust du mir das etwa zu?«
»Nein, aber ich mag es nicht, wenn man Geheimnisse vor mir hat. Wo du bist, will auch ich hingehen, heißt es nicht so ähnlich bei euch? Ist ja auch egal. Vielleicht klärst du mich auf, warum du überhaupt hier bist.«
»Das kann ich dir schnell erklären«, erwiderte Octavien erleichtert. »Ich besuche hier meine Freunde. Du kennst sie auch. Die sarazenischen Brüder Emanuel und Sinan.«
Agnes riss die Augen auf. »Was? Die sind hier? Meister Zimperlich und Meister Größenwahn? Und die sind Brüder?« Sie musste lachen.
Octavien lächelte. »Ja. Außerdem ist noch Bruder Bernardo bei ihnen, den du ebenfalls kennst.«
Ein warmer Schein huschte über ihre Züge. »Der gute Mönch? Er ist auch hier? Aber dann – dann hängt ja alles zusammen, alles ist miteinander verbunden.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist doch kein Zufall, dass sich alle diese Männer hier aufhalten, oder?«
»Nein, sie alle gehören zur Bewegung. Sie will wirklich nur Gutes bewirken.«
»Nun!« Agnes ließ ein missbilligendes Schnauben hören. »Wenn Bruder Bernardo ihr angehört, will ich das glauben, von Emanuel vielleicht auch. Keuschheit ist schließlich nichts Böses schlechthin, wenn manche das auch etwas anders sehen mögen. Aber dieser Sinan. Was treibt er hier? Und vor allen Dingen, weshalb habe ich noch nie etwas über diese Bewegung von dir gehört?«
»Weil ich glaubte, sie gehöre nicht zu unserem Leben, Agnes. Ich dachte, wir werden auf Dreieichen glücklich und brauchen sie nicht. Aber dann – du weißt, dass alles anders kam. Ich suchte bei
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