Schatten eines Gottes (German Edition)
faltiges Gesicht glitt ein Strahlen. Er wieselte, so schnell es ihm seine krummen Beine erlaubten, hinter dem Stand hervor und machte mehrere tiefe Verbeugungen vor Agnes. »Gelobt sei der Herr, Ihr seid wirklich gekommen. Er hat es gewusst, gewusst hat er es, und nun bekomme ich noch drei Silbermünzen, die hat er mir versprochen, wenn ich es Euch recht auftrage, und sputen solltet Ihr Euch, denn er wartet im Kloster Mariental, ach nein, St. Marien auf Euch. Verflixt, wie heißen die Mönche dort nur? Nach Koblenz müsst Ihr gehen, schnurstracks nach Koblenz, Jungfer. Von da wird es ein bisschen schwierig, liegt wohl mitten im Wald, das Kloster. Aber er ist da und wartet. Ach ja, Kartäusermönche! Fragt nach einem Kartäuserkloster. In Koblenz. Habt Ihr das alles verstanden?«
Nein, Agnes hatte nichts verstanden, aber sie vermochte den Redeschwall des Mannes nicht zu stoppen. Als er endlich Atem holte, fragte sie: »Wer wartet da auf mich?«
»Natürlich der Ritter. Octavien heißt er, sein weiterer Name war was Fremdes, habe ich vergessen.«
»Saint-Amand?«, fragte Agnes mit klopfendem Herzen.
»Richtig, das war’s. Ja, so nannte er sich, der edle Herr. Und so großzügig war er. Hat mir drei Silbermünzen gegeben. Und wenn ich Euch recht den Weg weise, was ich hiermit getan habe, dann bekomme ich noch mal drei. Sechs Silbermünzen, das ist was Feines. Die spare ich mir fürs Alter auf.« Er grinste und entblößte zwei Zahnstummel. »Da kann ich dann jeden Tag in die Badestube gehen.«
Agnes hätte ihn trotz der Zahnstummel am liebsten umarmt. Sie vergewisserte sich noch einmal ganz genau und in Ruhe, wo sich dieses Kloster befand, dann gab sie dem Alten ihre Goldmünze. »Damit kannst du schon heute jeden Tag die Badestuben aufsuchen«, lächelte sie. »Aber zeige sie keinem. Gehe zu einem vertrauenswürdigen Wechsler damit, sonst wird man sagen, du habest sie gestohlen.«
Der Alte schnappte so schnell nach der Münze wie ein Frosch nach der Fliege. Obwohl er arm und ungebildet war, wusste er sofort, was er da in der Hand hielt. Und es schien, als wisse er auch schon, wie er sie unter die Leute bringen sollte. Er wollte Agnes zerfließend vor Dankbarkeit die Hand küssen, doch sie wich zurück. »Schon gut, Alterchen, grüß mir die Bademädchen.« Sie zwinkerte ihm zu und lief davon. »Kartäuserkloster St. Marien«, murmelte sie, dann machte sie einen Luftsprung und lachte.
***
Allmählich beruhigte sich Sinans Gemüt, und er fand zu seiner alten Gelassenheit zurück. Die klassische Schönheit Neubabylons, die friedliche Atmosphäre und die alten Freunde taten ihm gut. Wie Monthelon es gesagt hatte, war es geschehen. Die Bewegung hatte ihn nicht verstoßen, ganz im Gegenteil, sie hatte ihm ihr Mitgefühl ausgedrückt, was für Sinan noch schwerer zu ertragen war. Obwohl er ein eigenes Haus besaß, hielt er sich meistens bei seinem Bruder auf, denn dort waren auch Bernardo und Octavien. Den Templer kannte er bereits aus Mainz und Bernardo aus Lucca, wo er gepredigt hatte. Und auf der Reise nach Rom. Da waren sie sich nähergekommen. Zu nahe für Sinans Geschmack, denn der Mönch hatte etwas in ihm zum Klingen gebracht und das hatte er nicht zulassen dürfen, denn er war ein Feind. Doch das lag lange zurück. Heute gehörte er dazu.
Wie alle, die den Mönch von früher kannten, hatte auch Sinan sein Anblick verblüfft. Dieser verteufelt gut aussehende Bursche sollte Bernardo sein? Da konnte man sehen, wie das Mönchstum einen guten Mann verderben konnte, selbst äußerlich. Er war jetzt das, was man einen feschen Kerl nannte, auch in seinen Blicken, Worten und Gesten. Unbehaglich dachte Sinan daran zurück, dass er von Akkon aufgebrochen war, um ihm das Pergament abzunehmen und ihn zu töten. Wie hatte er auf so einen widersinnigen Gedanken kommen können?
Dass Sinan sich erholt hatte, war auch an seinen Gesprächen zu erkennen. Er war streitbar wie immer. Die vier Männer saßen beisammen und sprachen über Gott und die Welt. »Emanuel! Weshalb hast du deinen Mönchsnamen immer noch nicht abgelegt? Du heißt Sarmad. Ein stolzer Name, den du mit Würde tragen solltest.«
»Ja, ich weiß. Ich habe mich einfach an den Namen gewöhnt. Sarmad ist mir fremd, niemand redet mich hier so an.«
»Dann sollte sich das ändern.«
»Ich heiße auch noch immer Bernardo.«
»Wie war denn dein Geburtsname?«
»Benedictus.«
»Benedictus?« Sinan räusperte sich. »Hm, es muss schließlich nicht jeder seinen
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