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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Karpaten durchbricht, sodass man in seinem Tal leicht mit gemieteten Reisewagen nach Siebenbürgen hineinkommt. Dann verlassen wir den Alt, wo er mit dem Zibin zusammenfließt, fahren nordwärts, und haben endlich Kövár vor unsern Augen: das Haus meines Vaters, einstöckig, breit ausladend, an einen Berghang geschmiegt, von Eichwald überschattet und das Dutzend Bauernhäuser um es herum. Kein Sandsturm hat uns begraben, keine Nomadenschar uns überfallen, das Meer uns nicht verschlungen, Seeräuber uns nicht gesichtet, das Land gab sich friedlich, die Wege waren sicher, die Fehden und Scharmützel zwischen den Osmanen und den Herrn der Walachei ruhten ebenso wie die zwischen jenen und dem König von Ungarn. Ich habe also mein Vaterhaus vor den Augen, springe vom Wagen, weil er mir nicht schnell genug fährt, laufe die Lindenallee entlang, achte nicht der Hunde, die mir entgegenbellen, erreiche das Tor. Da treten fremde Menschen heraus und fragen: ›Kit tetszik keresni – wen beliebt Ihr zu suchen?‹, und ich erfahre, dass mein Vater tot ist, meine Verwandten das Gut verkauft und das Geld unter sich aufgeteilt haben und niemand, gar niemand sich über meine Heimkehr freut.
    Und was soll dann aus uns werden? Soll deine Mutter sich mit Sticken ihren Lebensunterhalt verdienen, während ich mich als ein alter Haudegen einem fehdelüsternen großen Herrn anbiete? Und du, mein Sohn? Wie willst du dich durchschlagen?«
    Er strich mir über die Wange und fühlte, dass sie nass war.
    »Warum weinst du, mein Kind?"Das Wasser, das hier rauscht, ist ja gar nicht die Kokel, sondern der Kohik, die Sterne, die bereits aufgehn, leuchten nicht über Kövár, sondern über Samarkand, und wir müssen uns beeilen, dass wir in unser Haus kommen, ehe deine Mutter sich um uns Sorgen macht.«
    Der Weg, den wir zurückzulegen hatten, war weiter, als wir dachten, und ich hatte Zeit, unser Gespräch zu Ende zu führen; denn noch hatte ich nicht alle meine Einwände vorgebracht.
    »Und wenn du nun mit der Mutter nicht nach Siebenbürgen gingest, sondern doch nach Georgien?« fragte ich und ärgerte mich, dass ich meine Tränen nicht hatte verbergen können. Es ist eine Schwäche von mir, dass ich alle Szenen, die mir die Fantasie vor die Seele stellt, so lebhaft empfinde, als wäre ich unmittelbar von ihnen betroffen, und als Kind war ich dieser Schwäche gegenüber völlig wehrlos und schämte mich ihrer.
    »Dann treffen wir es noch ärger. Das Haus deines Großvaters liegt in Schutt und Asche, wie du von Guram gehört hast, und er ist tot, das wissen wir. Die Städte sind Trümmerhaufen, die Dörfer menschenleer …«
    »Aber die Felder liegen brach, und Wild gibt es in den Wäldern«, unterbrach ich ihn, und: »Ja«, erwiderte er, »und auch Höhlen, die du mit Bären und Wölfen teilen kannst.«
    Er las mir die Betroffenheit von den Augen ab. »Mein Kind«, sagte er warm, »ich will noch weiter in die Zukunft sehen. Wir leben jetzt hier in einem gesegneten Land. Timur, der Große Wolf, der die Welt in Schrecken gestürzt hat, ist schon lange tot. Sein Sohn und sein Enkel haben seine Kriegslüsternheit nicht geerbt. Im Gegenteil. Unser junger Fürst soll gesagt haben: ›Mein Großvater ist ein Dschihangir gewesen, ein Welteroberer. Das ist mir zu wenig. Ich will den Himmel erobern.‹ Und man sagt, er habe Gelehrte ausgeschickt, die ihm Pläne von Sternwarten aus Indien und Persien bringen sollen. Ob es wahr ist, weiß ich nicht. Wahr aber ist, dass er eine Medrese bauen lässt, die sich mit der Riesenmoschee seines Großvaters messen kann. Die Gräben für die Grundmauern sind schon ausgehoben. Und nicht nur Koranwissenschaften sollen dort unterrichtet werden, sondern auch Mathematik, Astronomie, Medizin und ähnliche Sachen, ich verstehe ja nicht viel davon, aber du wirst desto mehr davon verstehen lernen.
    Denn wenn du dein Chatamfest gefeiert hast, lasse ich dich dort einschreiben. Erschrick nicht, ich will keinen Kasi und keinen Alim aus dir machen. Ich kenne ja die Einstellung deiner Mutter, die auch die deine ist. Aber ein Arzt zu werden wirst du mir doch nicht abschlagen, mein Sohn. Und wenn du einer geworden bist, dann können wir den Herzenswunsch deiner Mutter erfüllen. Denn diese Kunst kannst du überall ausüben, wo es leidende Menschen gibt.
    Du hast einmal gesagt, dass du mein Freund sein willst. Nun bitte ich dich sei auch mein Bundesgenosse! Hilf mir, deine Mutter zu beruhigen, zu besänftigen, dass sich ihre Geduld

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