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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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nicht erschöpft. Und lerne, was immer du hier lernen kannst, aber bleibe in deinem Herzen ein Christ. Auch ich bin einer geblieben. Nur mache ich keine Worte darum.«
    Ich drückte ihm stumm die Hand. Was war seinen nüchternen Überlegungen entgegenzuhalten? Höchstens eines: »Vater, du wirst doch trotzdem nichts dagegen haben, dass ich Tirsad das Reiten beibringe.«
    »Nicht im geringsten. Ich werde ihm auch helfen, ein Pferd zu kaufen. Er soll das Geld dafür ruhig aus eurer Reisekasse nehmen. Und dich, Giorgi, werde ich, sobald es sich ergibt, dem Fürsten vorstellen. Vielleicht erlaubt er es dir, uns bei der nächsten Jagd zu begleiten.«
    Dazu kam es früher, als ich erwartet hatte. Nicht an einer der großen Prunkjagden durfte ich teilhaben, aber an einem Jagdausflug mit nur wenigen seiner Begleiter. Bei solcher Gelegenheit pflegte er Falken mit sich zu führen, denn nichts liebte er leidenschaftlicher als dieses Schauspiel, das sich am Himmel zutrug, wenn die Spürhunde die Reiher aufgejagt hatten und den Raubvögeln die Kappen von den Köpfen gezogen und sie in die Luft geschleudert wurden ihrer Beute nach.
    Der Jagdzug bestand nur aus etwa zehn Personen, alle trugen sie ihre Vögel auf der behandschuhten Faust, nur ich, der ich in dieser edlen Kunst nicht bewandert war, besaß keinen. Doch hatte ich durchgesetzt, dass ich Pfeil und Bogen mit mir führen durfte.
    Wir ritten nach Osten, zu jenem Gelände, das wie von Gott für die Falkenjagd geschaffen zu sein scheint: erst zu beiden Seiten des Flusses die Sümpfe, in denen die Reiher waten, und anschließend daran die weite, baumlose Ebene, wo der Flug der Vögel überschaubar ist und Pferde ausgreifen können, um ihn zu verfolgen.
    Es dauerte gar nicht lange, bis der erste Vogel aufgescheucht war – ein wunderschöner milchweißer Silberreiher mit besonders langen Schmuckfedern, wie sie den Männchen zur Zeit der Paarung wachsen.
    »Mein ist er!« sagte Ulug Beg, riss seinem Falken die Kappe ab, löste ihm die Fessel vom Geschüh und schleuderte ihn dem Reiher nach. »Hol ihn mir!« rief er, fröhlich wie ein Junge, »ich brauche seine Federn als Kopfschmuck für meine Frau!«
    Und nun entfaltete sich zu unsern Häupten ein Schauspiel, so großartig und erregend, wie ich noch keines gesehen hatte. Es war kurz vor Sonnenaufgang, der Himmel von leichten Wolken durchzogen, die im Morgenrot glühten. Ein frischer Luftzug griff den Vögeln unter die Schwingen, und sie verstanden, ihn auszunützen und im Aufwind höher und höher zu steigen. Der Reiher war stark und zog ruhig und sicher seine Kreise, der Falke bewegte seine Flügel kräftiger und schneller und gewann an Höhe. Jetzt hatte er seine Beute eingeholt, jetzt sie überflogen, jetzt stieß er auf sie herab. Doch der Jubel über den Sieg unseres Kampfvogels blieb uns in der Kehle stecken, denn blitzschnell warf sich der Reiher herum und reckte seinem Todfeind den langen pfeilspitzen Schnabel entgegen, sodass der Falke sich aufspießte in dieser dolchscharfen Waffe. Beide Vögel fielen einen Steinwurf von uns entfernt vom Himmel nieder, und der Reiher versuchte mit großer Anstrengung, seinen Schnabel aus der Brust des Falken zu lösen.
    »Hilf ihnen, Achmad«, sagte mein Vater zu mir, »befreie den Falken und reiß dem Reiher die Schmuckfedern aus. Dann kannst du ihn fliegen lassen.«
    »Nein, er behalte sie!« rief Ulug Beg mir nach. »Einen so tapferen Gegner beraubt man nicht!«
    Der Reiher taumelte, als ich ihn auf die Füße stellte, hob dann aber seine vom Blut des Feindes bespritzten Fittiche und flog den Sümpfen zu, während ich mit dem Falken zurückkam, den ich meinem Vater entgegenhielt. Der strich dem Vogel mit der Hand einige Male übers Gefieder und sagte dumpf: »Er ist tot.« Dann reichte er ihn mir zurück.
    »Nimm ihn auf dein Pferd. Achmad. Wir wollen ihn in unserm Hof unter der Platane begraben.«
    Ein Sakerfalke war es, wie sie auf den hohen Bäumen jenes Landes nisten. Mein Vater hatte ihn einem afghanischen Vogelfänger abgekauft und ihn selber gezähmt.
    wie viel Mühe macht es, diese stolzen, wilden, freiheitsliebenden Tiere an den Menschen zu gewöhnen! Wie viele Anstrengungen kostet es, sie stundenlang auf der Faust zu führen, bis sie lernen, auch nach freiem Fluge immer wieder dorthin zurückzukehren! Wie schwierig ist es, ihnen beizubringen, den Kranich und den Reiher zu jagen, da sie sich doch in Freiheit mit Tauben und kleineren Vögeln begnügen! Und wie viel Geduld

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