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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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ein wunderbares männliches Leben? Dieses Atmen unter freiem Himmel! Dieses Reiten über Stock und Stein, mit Berg und Tal, mit Sonne, Wind und Wolken auf du und du! Blieb man nicht gesund dabei, wurde man nicht stark und tüchtig und frohgemut, wie mein Vater war, in allen Sätteln gerecht, allen Gefahren gewachsen?
    Mein Vater schien zu fühlen, was in meinem Innern vorging, denn rasch antwortete er an meiner Statt: »Da unser Herr eine so große Medrese erbaut, wird sich vielleicht auch für den Sohn seines unbedeutenden Dieners ein Plätzchen darin finden.«
    »Studieren will er? Und was? Ein Gottesgelehrter werden, ein Fakih, ein Mollah?«
    »Nein, Herr«, entgegnete nun ich, der ich mich unterdessen gefasst hatte und meinem Vater zu Wunsch sein wollte, »ein Arzt möchte ich werden.«
    »Ein Arzt? Das höre ich gern. Heilkunde ist wichtig. Doch Sternkunde nicht minder. Hast du nicht gelernt: ›Sonne und Mond sind Gesetzen unterworfen, und die Waage ist an den Himmel gestellt als Bild der Gerechtigkeit?‹ Ist also nicht auch der Himmel eine Offenbarung Allahs, und ist es nicht an der Zeit, dass wir in ihm lesen lernen wie im Koran?«
    Unsicher, was ich antworten sollte, blickte ich zu meinem Vater hinüber, doch ehe er mir zu Hilfe kommen konnte, nahm Ulug Beg wieder das Wort:
    »Begib dich nur in meine Medrese«, sagte er, »meine Mollahs werden dir mehr beizubringen haben, als du heute ahnst.« Und zu meinem Vater gewandt: »Sage es mir, Kükülli, wenn Achmad mit seiner Abschreibearbeit fertig ist. Dann will ich ihm sein Chatamfest ausrichten – das bin ich meinem kleinen Lebensretter doch schuldig.«
    Ich wurde rot vor Freude, lenkte mein Pferd so an das seine heran, dass ich den Saum seines Umhanges zu fassen bekam, und drückte ihn an die Lippen. Und dennoch schlich sich ein winziges Missvergnügen in meine Seele. Klein hatte er mich genannt? War ich denn nicht meiner Mutter schon über den Kopf gewachsen, und reichte ich dem Vater nicht bis zu den Augenbrauen?
    Mein Eifer im Abschreiben und Auswendiglernen des Korans verdoppelte sich nach diesem Ereignis begreiflicherweise, und Abbas vermochte nicht mehr Schritt mit mir zu halten. Ben Nisam war wütend. Hatte er doch vorgehabt, das Chatamfest für seinen Sohn und mich zusammen auszurichten: Welch gute Gelegenheit, sich vor seinen Freunden mit seinem Reichtum aufzuspielen und sich als Protektor eines begabten Knaben feiern zu lassen! Und als er erfuhr, was sich auf jener denkwürdigen Jagd 2ugetragen hatte, stachelte er seinen Sohn erst recht an, es mir im Lernen gleichzutun: Würde nicht Ulug Beg auch Abbas mit mir zusammen prüfen lassen, wenn er erführe, dass der Sohn seines Höflings gleichzeitig dazu bereit war? Und würde nicht damit ein Teil des Glanzes, den diese Auszeichnung des Fürsten für mich bedeutete, auch auf ihn fallen und sein Haus? Doch Abbas versagte. Je mehr man ihn antrieb, um so weniger ging in seinen armen gequälten Kopf hinein.
    Ben Nisam griff zum letzten Erziehungsmittel, das ihm zu Gebote stand – er schlug seinen Sohn wieder, und diesmal sogar mit einem Lederriemen und so grausam wie nie zuvor – aber er erreichte damit nur, dass der Ärmste selbst bei jenen Stellen stecken blieb, die er sich schon einmal eingeprägt hatte.
    Als Abbas zu mir kam, hatte er am ganzen Körper blaue Striemen und sah jämmerlich aus.
    »Hilf mir«, bat er, »geh nicht so schnell vorwärts.«
    »Ich muss«, erwiderte ich, »der Sultan verlangt es von mir.«
    Merkte er, dass das gelogen war? Ich fing einen Blick aus seinen Augen auf, so hasserfüllt, dass ich wusste: Er betrachtete mich als seinen Feind, der schuld an seinem Elend war. Aber in mein Mitleid mischte sich Verachtung: Nein, ich wollte nicht mit ihm zusammen geprüft werden! Zu groß war die Gefahr, dass er sich bloßstellte und ich mich seiner schämen musste.
    So wurde dieses Chatamfest allein mir zu Ehren veranstaltet. Ich schritt an der Seite meines Vaters durch einen der vielen Gärten, die schon Timur rings um die Wälle von Sa markand hatte anlegen lassen. Rechts und links neben uns gingen Diener über die breiten, von blühenden Büschen um säumten Wege. Sie führten uns zu einem Pavillon, der aber von Weitem nicht sichtbar war, weil eine Umzäunung, hoch wie ein stattlicher Reiter, ihn umgab. Sie bestand nicht aus Mauerwerk, nicht aus einem Bretterzaun, sondern aus kost baren Seidengeweben, die an langen Stangen befestigt waren und sich im Luftzug bauschten. So konnte ich

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