Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
ruhiges Plätzchen zurückziehen, um das Programm gründlich zu studieren, Leistungsprofile zu vergleichen, sich mit Plazierungen, Starts und so weiter zu beschäftigen. Manbeschränkt sich am Ende am besten auf zwei oder drei Kandidaten. Haben Sie ein Fernglas dabei?«
»Nein, ich dachte nicht . . .«
»Macht nichts, ich leihe Ihnen meins.« Er schob sie in eine Reihe, den Arm freundschaftlich um ihre Schulter gelegt, und verkniff sich ein Lächeln. Sie hörte ihm mit der Aufmerksamkeit, mit der ein eifriger Student den Ausführungen seines Professors lauscht, zu. »Wollen Sie auf Sieg setzen?«
»Natürlich will ich das.«
»So ist es richtig – das bringt auch was. Alles andere ist für Weichlinge.« Es gab ihm eine gewisse Befriedigung, den Mann in der Schlange neben ihm zusammenzucken und die Schultern hochziehen zu sehen. »Haben Sie sich einen Überblick über die Quoten verschafft?«
»Nein«, antwortete Kelsey, die sich mittlerweile ziemlich dumm vorkam.
»Für Ihr Pferd steht es vier zu eins. Das ist in Ordnung. Nur Feiglinge setzen auf die Favoriten. Zu schade, daß Sie erzählt haben, Sie wären kein Spielertyp. Sonst hätte ich nicht zugelassen, daß Sie etwas essen oder trinken, ehe Sie Ihre Wette plazieren.«
»Wie bitte?«
»Niemals etwas essen oder trinken, bevor Sie wetten.«
Ihre Augen verengten sich. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Nein. Das ist eine eiserne Regel.«Jetzt mußte er grinsen, »und alles ganz großer Quatsch. Es ist ein Glücksspiel. Schließen Sie die Augen und tippen Sie auf eine Nummer. Pferde sind Hochleistungssportler und keine Maschinen. Sie sind unberechenbar.«
»Vielen Dank.« Belustigt trat sie an den Schalter. »Zehn Dollar auf Necromancer.« Sie warf Gabe einen Blick zu. »Auf Sieg.«
Den Arm immer noch um ihre Schulter gelegt, angelte
Gabe nach seiner Brieftasche. »Fünfzig auf Nummer drei, Sieg.«
Kelsey hielt stirnrunzelnd ihren Wettschein fest. »Wer ist denn Nummer drei?«
»Keine Ahnung.« Er steckte den Schein in die Tasche.
»Sie haben einfach so auf eine Nummer gesetzt?«
»War so eine Eingebung. Kleine Wette am Rande, daß mein Pferd als erstes durchs Ziel geht?«
»Noch mal zehn«, antwortete Kelsey prompt.
»Und Sie behaupten allen Ernstes, kein Spielertyp zu sein.«
Er führte sie zur Bahn zurück; gerade rechtzeitig, denn die Pferde wurden in diesem Moment in die Startboxen gebracht. So verrückt es auch sein mochte, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Handflächen wurden feucht. Als das Startsignal ertönte, beugte sie sich vor, ganz benommen von dem Farbenspiel.
»Nummer drei schafft es,« flüsterte Gabe ihr ins Ohr.
Kelsey schüttelte ihn ab. »Sie sind doch gerade erst gestartet.«
Sie hörte, wie die Jockeys Anfeuerungen oder Drohungen brüllten und dabei die Gerten knallen ließen. Als die Pferde in die Zielgerade einliefen, hatte Kelsey ihre Wette vollkommen vergessen. Die Spannung lag im Rennen selbst, im Rausch der Geschwindigkeit. Ein Pferd fing an das Feld aufzubrechen. Ohne daß es ihr bewußt wurde, drückte sie ihm innerlich die Daumen, beeindruckt von seinem Willen zu siegen.
Es schob sich schließlich an dem bislang führenden Pferd vorbei und gewann mit einer halben Länge Vorsprung.
»Haben Sie das gesehen?« Lachend warf Kelsey den Kopf in den Nacken. »Er war großartig.«
Gabe hatte nicht auf das Finish, sondern auf sie geachtet. Die Maske der Beherrschung war von ihr abgefallen und enthüllte die leidenschaftliche Energie, die sich dahinter verbarg. Er wollte diese Frau mehr, als er je einen Sieg gewollt hatte.
Naomi verzog leicht die Lippen, als sie Gabes leuchtende Augen bemerkte. Das war etwas, worüber sie nachdenken mußte. »Dein Pferd ist Fünfter geworden«, sagte sie zu Kelsey.
»Das macht nichts.« Kelsey holte tief Atem. »Das war mir die Sache wert. Hast du gesehen, wie er quasi aus dem Nichts aufgetaucht ist?«
»Nummer drei«, sagte Gabe und wartete, bis sich ihre Aufmerksamkeit auf ihn richtete. »Meine Eingebung hat sich ausgezahlt.«
»Das war Nummer drei?« Sie drehte sich nach dem siegreichen Pferd um und schwankte zwischen dem Ärger, gegen Gabe verloren zu haben, und der Freude beim Anblick des Pferdes. »Heute ist wohl Ihr Glückstag?«
»Da könnten Sie recht haben.«
»Soso.« Kelsey schaute ihn an und lächelte dann. »Auf wen würden Sie denn im nächsten Rennen setzen?«
Am Nachmittag verschlang sie einen Hotdog und trank eine wäßrige Limonade dazu.
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