Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Naomi nicht mitkommen würde?«
»Nach einem Tag auf der Rennbahn hat sie normalerweise noch lange Besprechungen mit Moses.« Geschickt entkorkte Gabe die Flasche. »Wollen Sie erst das Haus besichtigen oder lieber erst essen?«
»Wenn ich schon mal hier bin, würde ich mir gern das Haus ansehen.« Sie nahm ihr Glas und stellte erstaunt fest, daß neben dem zweiten Gedeck kein Glas stand. »Wollen Sie nicht mit mir anstoßen?«
»Nein, ich trinke nicht. Wie wär’s, wenn wir oben anfangen?«
Er führte sie eine geschwungene Treppe hinauf. Kelsey zählte nicht weniger als vier Gästeschlafzimmer, ehe sie über eine weitere kleine Treppe in den Hauptraum gelangten, ein kombiniertes Wohn- und Schlafzimmer mit einem steinernen Kamin, einem übergroßen französischen Bett und einem Dachfenster darüber, durch das man nachts in den Sternenhimmel schauen konnte.
Genau wie in den anderen Räumen des Hauses fand sich hier Antikes und Modernes in harmonischem Einklang. Auf einem Chippendale- Tisch stand eine abstrakte Skulptur aus Bronze und Kupfer, auf dem Boden lag ein schimmernder persischer Läufer unter einem kleinen Tisch aus poliertem Teakholz.
Eines der Gemälde erregte Kelseys Aufmerksamkeit. Sogar aus der Entfernung erkannte sie, daß es eine Arbeit des Künstlers war, der auch die Bilder im Haus ihrer Mutter gemalt hatte.
Dieses Übermaß an Leidenschaft, dachte sie, als sie den kraftvollen Pinselstrich und das grelle Nebeneinander der Farben betrachtete. »Ein ziemlich unruhiges Werk für ein Schlafzimmer.«
»Ich finde, es paßt gut hierher.«
»N. C.«, murmelte Kelsey. »Hat das Naomi gemalt?«
»Ja. Wußten Sie nicht, daß sie malt?«
»Nein, niemand hat mir etwas davon gesagt. Sie hat Talent. Ich kenne einige Kunsthändler, die sich um ihre Gemälde reißen würden.«
»Damit würden Sie ihr keinen Gefallen tun. Ihre Malerei ist sehr persönlich.«
»Das ist Malerei eigentlich immer.« Kelsey wandte sich ab. »Malt sie schon lange?«
»Nein. Sie sollten sie am besten selbst fragen. Sie wird Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen.«
»Erst einmal muß ich mir darüber klarwerden, was das ist.« An ihrem Champagner nippend schlenderte sie durch den Raum. »Ich weiß ja nicht, wie der altehrwürdige Prachtbau ausgesehen hat, aber ich bezweifle, daß er sich mit diesem Haus messen konnte.« Ihre innere Anspannung ließ merklich nach. »Haben Sie die Nachbarschaft schockiert, als Sie ihn abreißen ließen?«
»Ich hab’ so ziemlich alle im Umkreis von zwanzig Meilen gegen mich aufgebracht.«
»Und jede Minute genossen.«
»Verdammt richtig. Man muß schließlich seinem Ruf gerecht werden.«
»Und was für einen Ruf haben Sie?«
»Einen sehr zweifelhaften, meine Liebe. Jeder wird Ihnen bestätigen, daß es den ersten Schritt zur ewigen Verdammnis bedeutet, mit mir allein in mein Schlafzimmer zu gehen.«
»Vom ersten Schritt bis zum Sündenfall ist es aber ein langer Weg.«
»Nicht so lang, wie Sie vielleicht denken.«
Achselzuckend leerte Kelsey ihr Glas. »Erzählen Sie mir von besagtem Kartenspiel?«
»Beim Essen.« Er reichte ihr die Hand. »Das ist die richtige Atmosphäre dazu.«
Kelseys Neugier war geweckt, sie nahm seine Hand und sagte: »Das klingt aber keineswegs anrüchig, Slater.«
»Ich fange ja auch gerade erst an.«
Unten füllte er ihr Glas nach. Ein unsichtbarer dienstbarer Geist hatte bereits zwei mit Silberhauben abgedeckte
Platten aufgetragen, die Kerzen entzündet und Musik angestellt. Zu den Klängen von Gershwin setzten sie sich zu Tisch.
»Das Kartenspiel?«
»Na gut. Was verstehen Sie von Poker?«
»Ich weiß, welche Karte welche schlägt. Glaube ich jedenfalls. ‹‹‹ Sie probierte den köstlich zubereiteten Fisch und schloß die Augen. »Dies übertrifft die kulinarischen Genüsse auf der Rennbahn bei weitem.«
»Ich werde es dem Koch ausrichten. Also weiter im Text. Vor fünf Jahren spielte ich um das große Geld. Es war ein echter Pokermarathon, mit enorm hohen Einsätzen.«
»Hier in der Gegend?«
»Nein, hier in diesem altehrwürdigen Prachtbau.«
Kelseys Augen wurden schmal. »Ist Glücksspiel in diesem Staat nicht gesetzlich verboten?«
»Sie können’s ja noch der Polizei melden. Wollen Sie nun die Geschichte hören oder nicht?«
»Will ich. Sie nahmen also an einem illegalen Pokerspiel teil. Und dann?«
»Cunningham hatte eine Pechsträhne. Nicht nur in diesem Spiel, sondern schon seit Monaten. Seine Pferde liefen schlecht, seit einem
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