Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
ganz kleine Wunde. Sitzt direkt über dem Gelenk.«
»Wie ist das denn passiert?«
»Vielleicht hat er sich beim Transport an irgendeiner scharfen Kante verletzt. Falls man ihm die Wunde nicht absichtlich zugefügt hat.«
»Sie meinen, jemand könnte Three Aces absichtlich verletzt haben, damit er nicht starten kann?«
»Eher unwahrscheinlich«, meinte Matt. »So schlimm war es wieder nicht.«
»Wie behandeln Sie derartige Wunden?«
Kelsey hörte aufmerksam zu, als Matt ihr ausführlich die Behandlungsmethoden schilderte.
»Nun siehst du selbst, was ich meine«, flüsterte Moses Naomi zu. »Als nächstes wird sie die Fachliteratur über Veterinärmedizin verschlingen.« Als er zu den Ställen hinüberblickte, wurden seine Augen schmal. »Erwartest du jemanden?«
»Nein.« Naomi schob die Unterlippe vor und beobachtete den jungen Mann, der auf sie zukam, eingehend. Schlank, schmale Schultern, hübsches Gesicht. Trug Levi’s und ein Sweatshirt. Nichts Ungewöhnliches, überlegte sie, bis auf die Stiefel. Die mußten mindestens dreihundert Dollar gekostet haben.
»Kennt einer den Cowboy?«
»Hm?« Neugierig drehte Kelsey sich um, dann stieß sie einen Freudenschrei aus: »Channing!« Sie rannte auf ihn zu und warf ihm die Arme um den Hals, was Matt mit einem wehen Gefühl im Herzen zur Kenntnis nahm. »Was machst du denn hier?«
»Dachte, ich schau mich hier mal um, ehe ich nach Lauderdale abdampfe. Es sind Semesterferien.«
»Bist du Lauderdale nicht langsam leid?«
»Wie kann man von Bikinischönheiten je genug bekommen? Jetzt guck sich mal einer mein Schwesterchen an. Wie eine wandelnde Reklame fürs Landleben.« Er legte ihr einen Arm um die Schulter und musterte das Trio am Zaun. »Sag bloß, das ist deine Mutter!«
»Das ist Naomi. Komm, ich mache euch bekannt.« Den Arm um seine Taille geschlungen führte sie ihn zur Gruppe. »Channing, das ist Naomi Chadwick; Moses Whitetree und Matt Gunner. – Mein Stiefbruder Channing Osborne.«
»Willkommen auf Three Willows.« Naomi lächelte, als Channing ihre Hand an die Lippen zog. »Kelsey hat mir schon von Ihnen erzählt.«
»Nur Gutes, hoffe ich. Tolle Farm ist das hier.«
»Danke. Wir werden Ihnen alles zeigen. Ich hoffe, Sie können eine Weile bleiben?«
»Ich bin frei wie ein Vogel.« Channing konnte nicht widerstehen, über den Zaun zu langen und die weiche Nase der Stute zu streicheln. »Wollte für eine Woche nach Florida runter.«
»Um praktische Erfahrungen zu sammeln – was die weibliche Anatomie betrifft«, fügte Kelsey hinzu. »Channing studiert nämlich Medizin.«
Channing grinste und kraulte die Stute hinter den Ohren. »Jugend ist vergänglich, wie jeder weiß. Störe ich?«
»Nicht im geringsten«, versicherte Naomi. »Sie kommen gerade rechtzeitig zum Lunch. Matt, du bleibst doch auch, oder?«
»Kann ich leider nicht. Ich muß noch zur Bartlett-Farm, eines der Fohlen hat Koliken.«
»Hey, Sie sind Tierarzt?« Channing horchte auf. »Stell ich mir cool vor, Tiere zu verarzten. Die jammern nicht so viel wie Menschen«, fügte er rasch hinzu, als er Kelseys überraschten Blick auffing.
»Das nicht. Dafür pflegen menschliche Patienten für gewöhnlich nicht zu beißen oder auszuschlagen. Naomi, ich komme auf deine Einladung zurück. Kelsey, es war nett, Sie wiederzusehen. Bis später dann.«
»Ich bringe dich zum Auto. Kelsey, kümmerst du dich um Channing?«
»Wie ich dich kenne, hast du Hunger.« Kelsey zwinkerte ihrem Stiefbruder zu. »Willst du dir nach dem Essen die Farm ansehen?«
»Mit Vergnügen.«
»Ich wußte ja gar nicht, daß du dich für Tiermedizin interessierst?«
Verlegen zuckte Channing die Achseln. »Alter Kindertraum.«
Langsam gingen sie zum Haus zurück. »Jetzt fällt mir auch wieder ein, wie du immer die Vögel behandeln wolltest, die gegen das große Panoramafenster geflogen sind. Und dann hast du einmal diesen alten verflohten Straßenköter angeschleppt, der auch noch hinkte.«
»Ja.« Er lächelte, aber seine Augen erreichte das Lächeln
nicht. »Ich hatte die Rechnung bloß ohne den Wirt, sprich, ohne Mom gemacht. Sie wurde fuchsteufelswild.«
»Das hatte ich ganz vergessen.« Kelsey lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Sie hat befürchtet, er würde ihr den Garten umwühlen.«
»Außerdem war er kein Rassehund.« Channing zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei, mit ihrer Allergie hätte sie kein Tier im Haus geduldet. Außerdem sagte ich ja schon, daß Tierarzt ein Kindertraum war.«
Wie
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