Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Kommt mir vor wie die Probe für eine Broadway-Show.«
Naomi lächelte. Der Junge gefiel ihr. Wenn sie sich einen Bruder für ihre Tochter aussuchen könnte, dann wäre ihre Wahl mit Sicherheit auf Channing Osborne gefallen. »Es tut mir nur leid, daß wir nicht mit besserem Wetter dienen können.«
»Das verleiht dem Drama erst Atmosphäre. Pferde, die durch den Regen jagen, aufspritzender Schlamm und so weiter.« Grinsend spülte er seinen Hot dog mit einer Cola hinunter. »Ich kann’s kaum erwarten.«
»Jetzt dauert es nicht mehr lange«, versicherte Kelsey ihm. »Im Augenblick müßten eigentlich gerade die Pferde für die Parade fertiggemacht werden. Willst du’s dir ansehen?«
»Gern. Es ist wirklich nett von dir, daß du mich mitgenommen hast, Naomi.«
»Ich bin froh, daß du uns den Vorzug vor Sonne, Strand und Bikinis gegeben hast.«
»Das hier ist viel besser.« Mit einer Ritterlichkeit, die sie rührend fand, bot er ihr den Arm. »Wenn ich nächste Woche zurückfahre, kann ich vor meinen sonnengebräunten, verkaterten Freunden damit angeben, daß ich mit zwei tollen Frauen zusammen war.«
»Was ist mit der Vegetarierin?« erkundigte sich Kelsey.
»Wer, Victoria?« Er lächelte verschmitzt. »Sie hat mir den Laufpaß gegeben, als sie merkte, daß ich ein unverbesserlicher Fleischfresser bin.«
»Sehr kurzsichtig von ihr«, bemerkte Naomi.
»Das sag ich ja auch. Ich finde, ich bin ein echter Hauptgewinn, was sagst du, Kel?« Er blickte auf seine Stiefschwester und stellte fest, daß ihre Aufmerksamkeit jemand anders galt. So, so, dachte er und musterte Gabe. Diesen Ausdruck hatte er in Kelseys Augen schon lange nicht mehr gesehen. »Kennst du den?«
»Was? Wen?« Zerstreut zog sie ihre Kappe tiefer in die Stirn. »Das ist nur ein Nachbar.«
Gabe unterbrach sein Gespräch mit Jamison und drehte sich um, als die zwei sich näherten. Himmel, sah Kelsey gut aus! Dann wanderte sein Blick zu dem Mann, der seinen Arm um ihre Schulter gelegt hatte.
Zu jung, um ein ernsthafter Konkurrent zu sein, stellte er fest. Doch in seiner Geste lag etwas Vertrauliches, und seine Augen blickten neugierig und abweisend zugleich.
Ihr Stiefbruder, folgerte Gabe und trat auf die beiden zu.
»Immer noch nicht trocken?« sagte er zu Kelsey, deren Gesicht sich ärgerlich verzog.
»Heute ist ein anderer Tag, Slater. Das ist Channing Osborne, Gabriel Slater.«
»Nett, daß Sie Ihre Schwester besuchen.«
»Finde ich auch.«
Amüsiert registrierte Gabe, daß Channing ihm betont männlich die Hand schüttelte. »Wie geht’s der Stute, Naomi? Ich wollte sowieso vorbeikommen und sie mir anschauen.«
»Sie ist wirklich trächtig. Und gesund. Gestern kam Matt vorbei und erzähle mir von Three Aces. Heilt sein Bein gut?«
Gabes Blick verdüsterte sich, aber er blieb freundlich: »Ja. In ein paar Wochen ist er wieder in Topform.«
»Du hast für heute Double or Nothing angemeldet, stimmt’s?«
Gabe blickte wieder zu Kelsey. Da er sie berühren wollte, um sie durcheinanderzubringen, strich er ihr über die Wange. »Harte Konkurrenz, was?«
»Wie man’s nimmt. Dein Pferd läuft neben unserem.«
»Noch eine Wette am Rande? Einen Zehner schuldest du mir noch.«
»Angenommen. ich verdopple den Einsatz.«
»Gut. Willst du einen Blick auf den Sieger werfen?«
»Ich habe Virginia’s Pride schon gesehen, besten Dank.«
Er grinste und nahm ihre Hand. »Komm mit.«
Stirnrunzelnd verfolgte Channing das Geplänkel zwischen den beiden. »Geht das schon lange so?«
»Langsam fällt es mir auch auf.« Naomi sah den beiden nach und rieb sich die Nase. »Machst du dir Sorgen?«
»Die Scheidung hat ihr schwer zu schaffen gemacht. Ich möchte nicht, daß jemand das ausnutzt. Was weißt du über ihn?«
»Eine ganze Menge.« Naomi seufzte. »Ich erzähl’s dir später. Jetzt schlage ich vor, daß wir hinterhergehen, damit du dir keine Sorgen mehr machen mußt.«
»Gute Idee.« Er blickte sie nachdenklich an, als sie zu den Ställen gingen. »Du bist in Ordnung, Naomi«, sagte er.
Erfreut nahm sie seine Hand. »Du auch, Channing.«
»Weißt du, obwohl ich dich am liebsten mit der Peitsche über die Rennbahn jagen würde, tut es mir doch um Three Aces leid. Vermutlich kann ich sowieso nichts tun, aber . . .«
»Sie haben’s dir angetan, nicht wahr?«
Kelsey schob ihre Kappe höher, um ihn besser ansehen zu können. »Wer?«
»Die Pferde.«
Achselzuckend ging Kelsey auf die Ställe zu. »Und wenn schon.«
»Steht dir
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