Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Pferd verhätschelten.«
»Ihr Großvater hat diese Stute heiß und innig geliebt.« Boggs führte Pride in seine Box, die Kelsey bereits ausgemistet und mit frischem Stroh für den Tag ausgelegt hatte. »Jeden Nachmittag hat er ihr Zuckerstückchen zugesteckt. Wir haben alle so getan, als ob wir nichts sehen.«
»Wie war er, Boggs?«
»Er war ein guter Mann. Gerecht, aber leicht aufbrausend, konnte hochgehen wie ’ne Bombe.« Beim Sprechen schweifte sein Blick durch Prides Box, und befriedigt nahm er zur Kenntnis, daß Kelsey den Hengst auch mit frischem Wasser und Futter versorgt hatte. »Faulheit hat er nicht geduldet, no, Sir. Aber wer seine Arbeit erledigte, bekam pünktlich sein gutes Geld. Hab’ mit eigenen Augen gesehen, wie er die ganze Nacht bei einem kranken Pferd saß – und wie er ’nen Mann, ohne mit der Wimper zu zucken, gefeuert hat, weil er das ihm zugeteilte Pferd vernachlässigte.«
Kelsey bückte sich und ließ ihre Hände über Prides Beine gleiten, um ihn auf Verletzungen oder Schwellungen hin zu untersuchen. Boggs hatte die Bandagen schon ausgewaschen und mit den Wäscheklammern, die er stets am Hosenbein mit sich trug, aufgehängt.
»Klingt, als ob es schwer war, für ihn zu arbeiten.« Zufrieden rieb sie den regenfeuchten Hengst mit Stroh ab.
»Nicht, wenn man getan hat, wofür man bezahlt wurde.« Er sah zu, wie sie Prides Striegel aus dem Kasten nahm. »Sie haben das richtige Händchen, Miß Kelsey«, sagte er nach einer Weile.
»Ich komme mir vor, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes getan.« Sie redete beruhigend auf das nervös tänzelnde Tier ein und streichelte es. Wie alle Aristokraten hatte Pride ein reizbares Temperament. »Er ist heute morgen ein bißchen unruhig.«
»Er kann’s kaum noch erwarten, das ist es. Im Geist ist er schon in der Startbox.«
Kelsey fuhr fort, Sattel und Zaumzeug vom Schlamm zu befreien. »Wie ich gehört habe, ist er gestern gut gelaufen.« Sie legte den Striegel beiseite und griff nach einem Hufkratzer. »Es kommt mir ziemlich kaltherzig vor, nach dem gestrigen Tag an Rennen und Zeiten zu denken.«
»Das ist nun mal so.«
»Sie waren schon lange mit ihm befreundet?«
»Fast vierzig Jahre.« Boggs nahm eine Tabakdose aus der Tasche und bediente sich. »Als ich hierherkam, war er schon ein alter Hase.«
»Ich habe noch nie jemanden verloren, der mir nahestand.« Flüchtig dachte sie an Naomi, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr an die Trauer erinnern, die sie mit drei Jahren empfunden hatte. »Ich will ja nicht behaupten, daß ich weiß, wie Ihnen zumute ist, aber ich weiß, daß Naomi Ihnen freigeben würde, wenn Sie ein paar Tage Zeit brauchen.«
»Ich wüßte nicht, wo ich jetzt lieber wäre als hier. Dieser Polizeibeamte scheint zu wissen, was er tut. Er wird herausfinden, wer Mick das angetan hat.«
Kelsey weichte einen Schwamm ein und säuberte behutsam Prides Augen, in den Winkeln angefangen. Die Art, wie er sie ansah, während sie ihn versorgte, gefiel ihr. Langsam baute sich ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen auf. »Den Lieutenant Rossi mag ich nicht, aber warum, kann ich selbst nicht sagen.«
»Ist ’n reservierter Typ. Aber das heißt, daß er nachdenkt und Schritt für Schritt vorgeht, bis er die Wahrheit kennt.«
Kelsey warf den Schwamm in den Eimer zurück und wählte eine weiche Bürste für die Fellpflege. Ihr fiel das Glitzern in Gabes Augen wieder ein. Rachedurst, dachte sie. Dieses Gefühl konnte sie nur zu gut verstehen.
»Ist es gut so, Boggs?«
»Es muß reichen.«
»Da bist du ja.« Channing lehnte sich gegen die Tür der Box, um ihr zuzusehen. Ihre Hände waren ruhig und sicher, und sie wirkte wie ein Profi. »Sieht aus, als ob du genau weißt, was du tust.«
»Glaub mir, ich weiß auch genau, was ich tue.« Darüber freute sie sich jeden Tag von neuem. »Ich hab’ dich beim Frühstück vermißt.«
»Ich habe verschlafen.« Er grinste verlegen. »Meine innere Uhr ist nicht auf Nahrungsaufnahme um fünf Uhr morgens eingestellt. Hör mal, Matt ist vorbeigekommen. Ich werde ihn bei ein paar Hausbesuchen begleiten. Oder bei Stallbesuchen, wie auch immer.«
»Viel Spaß.«
Er zögerte. »Du bist doch okay, oder?«
»Klar bin ich okay.«
»Ich bin in ein paar Stunden zurück. Ach ja, und Moses sagte, wenn ich dich finde, soll ich dir ausrichten, du sollst zurückkommen in die Longe.«
»Sklaventreiber«, knurrte Kelsey. »Ich gehe, sobald ich hier fertig bin.«
Ihr blieb
Weitere Kostenlose Bücher