Schatten über Sanssouci
intelligenter,
kunstliebender, mutiger Herrscher den Ton angab. All das entwuchs Friedrichs
Flöte, die in ihren weitläufigen Passagen die Fanfarenmotive mit verspielten,
girlandenartigen Triolenketten mischte.
Schließlich war der
erste Satz vollständig an Quantz vorbeigezogen. Ein letzter Triller, ein
mächtiger Akkord. Die Musik verhallte. Er stand da mit den Schriften der
Franzosen in der Hand.
Jetzt war es an ihm,
zu handeln.
Der König erwartete
ihn.
***
Michael, der
alte Kilian, erwachte, als Lärm von der Straße heraufdrang. Pferdehufe
klapperten auf dem Pflaster, Räder rollten. Ein Kutscher rief Befehle.
Er erhob sich und
blickte nach unten. Es war ja noch stockdunkle Nacht. Was sollte der Lärm? Eine
schwarze Kutsche stand vor der Haustür des Kammermusikers. Gerade kam Quantz
durch die Tür und stieg ein. Die Magd wartete mit einer Lampe in der Hand.
Der alte Kilian trat
seinem schnarchenden Bruder in die Seite. Johannes erhob sich schlaftrunken.
»Was ist?«
»Herr Quantz
verlässt das Haus.«
Der junge Kilian sah
sich um. »Wurde schon zum Appell gerufen?«
»Nein, es ist noch
Nacht.«
»Was? Wo will er
dann hin?« Johannes kam ebenfalls ans Fenster.
Unten stieg Quantz
gerade ein. Die Magd stand in der geöffneten Tür, rang die Hände und rief
etwas, was hier oben nicht zu verstehen war.
»Es hilft nichts,
wenn wir hier stehen und glotzen. Wir müssen hinterher.«
»Die haben doch
Streit, oder?«, sagte Johannes. »Ich frage mich, warum.«
»Das ist jetzt egal.
Er hat irgendwas vor. Wir müssen dem Rat Meldung machen.«
»Willst du wieder
Hölzchen ziehen?«
Unten fuhr die
Kutsche los. Sophie rief ihr noch etwas hinterher und rang die Hände.
»Ich kann schneller
laufen«, sagte der alte Kilian. »Ich folge der Kutsche. Du gehst zum Schloss,
weckst den Rat und machst Meldung.«
»Du willst zu Fuß
eine Kutsche verfolgen?«
»Irgendwo müssen sie
an ein Tor kommen. Oder Quantz’ Ziel liegt innerhalb der Stadtmauern. Dann
bleibt die Kutsche irgendwo stehen. Ich schaffe das schon. Aber wir dürfen
keine Zeit verlieren.«
Er eilte die Treppe
hinunter. Die Straße war leer. Die Magd war offenbar ins Haus zurückgekehrt. In
der Ferne verloren sich die Geräusche der Kutsche – irgendwo in Richtung der
Plantage.
Kilian rannte los.
Am Kanal legte der Fuhrmann zum Glück nur Schritttempo vor, und Kilian hätte
das Gefährt leicht einholen können. Doch er blieb lieber im Hintergrund und
ging eng an den Häuserfassaden entlang.
An der Waisenstraße
bog die Kutsche nach links ab. Kilian wartete einen Moment, bis sie um die Ecke
verschwunden war, rannte dann hinüber und sah noch, wie Quantz in Richtung des
Brandenburger Tors einbog.
Er wollte gerade
loslaufen, da hörte er von jenseits der Häuser, wie der Kutscher die Pferde anhielt.
Männerstimmen hallten zwischen den Fassaden. Offenbar hatte sich eine
Patrouille der Kutsche in den Weg gestellt.
Langsam näherte
Kilian sich der Ecke und blickte in Richtung des Tors. Ein paar Soldaten
standen um die Kutsche herum. Das Gefährt beugte sich ein wenig zur Seite, und
Quantz stieg aus. Jetzt war seine Stimme zu hören. Laut und deutlich hörte
Kilian die Worte »Majestät« und »Gefahr«.
Dann erwiderte der
Offizier etwas, Quantz antwortete, und schließlich stieg der Musikmeister
wieder ein. Die Kutsche fuhr weiter in Richtung des Tors.
Kilian ließ einen
weiten Abstand zwischen sich und Quantz mit der Eskorte. Wenigstens lief er
nicht Gefahr, der Wache in die Quere zu kommen. Der Blick bis zum Tor war frei.
Lampen beleuchteten den kleinen Platz davor.
Ein weiterer
Wortwechsel fand statt, diesmal mit der Torwache. Quantz stieg wieder aus und
sprach im Wachhaus vor. Es dauerte ein paar Minuten. Die Soldaten, die draußen
geblieben waren, standen unschlüssig herum. Sie konnten ihre Patrouille nicht
fortsetzen, denn ihr Anführer war ebenfalls im Wachhaus verschwunden. Der
Kutscher auf dem Bock gähnte nur mehrmals ausgiebig.
Hoffentlich hatte
Johannes Weyhe schon Bescheid gesagt. Doch eigentlich würde ihm das ja gar
nichts nützen. Die beiden wussten ja nicht, wohin Quantz aufgebrochen war.
Wollte der Musikmeister wieder nach Bornstedt? Dorthin war er auch in
stockdunkler Nacht gefahren. Am Ende hatte es gebrannt, und der flüchtige Lakai
war tot gewesen.
Wollte Quantz wieder
jemanden außerhalb der Stadt treffen? Und umbringen? Aber so offensichtlich?
War das eine Falle? Sollten vielleicht alle mitbekommen, dass er
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