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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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seufzte.
»Mein Sekretär. Er muss mit hinein.«
    Der Soldat nickte
und zog sein Gewehr zur Seite, mit dem er den Eingang versperrt hatte.
    »Sieh an, hoher
Besuch«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Quantz drehte sich um, und da stand
Rat Weyhe. »Meine Verehrung Monsieur La Mettrie«, sagte er und machte einen
unbeholfenen Kratzfuß. »Und Herr Quantz … Haben Sie die Nacht noch gut
verbracht? Wie ich sehe, haben Sie einen neuen Freund gefunden, mit dem Sie
gern und ausführlich parlieren können. Dabei sollten Sie, Monsieur La Mettrie,
dem Herrn Musikus doch eigentlich böse sein, dass er Ihre Manuskripte gestohlen
hat.«
    »Immer noch besser, er nimmt sie an sich als jemand, der damit überhaupt nichts
anzufangen weiß. Und mit Verlaub, wem ich böse bin oder nicht, entscheide ich
selbst.«
    Weyhe nickte. »Sie
sind ja bekannt dafür, dass Sie sich keinerlei Fesseln anlegen lassen – weder
vom guten Ton noch von höherer Moral oder gar Vaterlandsliebe. Kein Wunder,
denn wir sind ja alle Maschinen, die ein Schöpfer zusammengeschraubt hat, und
die Bewegungen, die wir vollführen, und die Gedanken, die wir denken, sind
nicht unsere eigenen. Was sollte man sich also darüber den Kopf zerbrechen, was
richtig ist und was falsch?«
    La Mettrie warf dem
Rat einen Blick zu, als sei er ein Insekt, von dem er nicht wusste, ob er es
auf der Stelle zertreten oder es am Leben lassen sollte. »Kommen Sie,
Monsieur«, sagte er zu Quantz. »Gehen wir und befreien wir uns von der
Gegenwart dieses Menschen.«
    »Oh, ich denke,
daraus wird nichts«, sagte Weyhe und folgte ihnen. »Wir haben dasselbe Ziel.«
    Der Franzose packte
Quantz am Arm, und es gelang ihnen, auf dem Weg durch den Schlosshof etwas
Abstand zu dem Rat zu gewinnen. »Ich hätte es ahnen müssen«, murmelte La
Mettrie. »Aber wir können ihm leider im Moment nicht entgehen.«
    Sie erreichten den
Eingang, hielten sich abseits der großen Prachttreppe und folgten einem
schmalen Flur, von dem schließlich eine Tür abging. Schmale Stufen führten
steil nach unten. Bevor sie ihnen folgen konnten, war Weyhe herangekommen.
    »Halt«, sagte er
scharf. »Sie können selbstverständlich mitkommen, Monsieur La Mettrie, aber der
Herr Musikus wartet hier oben.«
    Der Franzose
überragte Weyhe kaum. Doch es gelang ihm, sich so zu recken, dass er von oben
auf den Rat hinunterblicken konnte. »Und warum, mein Herr?«
    »Weil er von dem
Fall betroffen ist, deshalb.«
    »Wollen Sie damit
sagen, er sei verdächtig?«
    »Ich glaube kaum,
dass einem das entgehen kann.« Weyhe stellte sich vor den Durchgang.
    »Soviel ich weiß,
hat er lediglich die Leiche entdeckt. Also gehen wir.« La Mettrie versuchte,
den Rat zur Seite zu schieben.
    »Ich habe klare
Ordre vom König …«
    »Herr Quantz wird
nichts anfassen, dafür garantiere ich. Und was wir dort unten erfahren, würde
ich ihm sowieso berichten. Daran werden Sie mich ganz bestimmt nicht hindern.«
    Weyhe warf ihnen
beiden einen giftigen Blick zu, wandte sich um und verschwand in dem engen
Treppenhaus. La Mettrie folgte ihm, dann kam Quantz, der sich angesichts seiner
Größe bücken musste, um sich nicht den Kopf anzustoßen.
    Die Treppe führte in
die verzweigten Keller unter dem Schloss. Unten gelangten sie in einen breiten
und hohen Gang, dem sie ein gutes Stück folgten. Immerhin konnte Quantz
aufrecht gehen. An den Wänden waren Lampen befestigt.
    Quantz erschrak, als
er ein Stück weiter eine Figur stehen sah. Es war ein Soldat, der einen Raum
bewachte, der durch ein Gitter vom Gang getrennt war und an einen Kerker
erinnerte. Die Decke bestand aus einem halbrunden Bogen. Ein Teil des Gitters
war eine Tür, die offen stand. Dahinter lag etwas auf einem rohen Holztisch –
beleuchtet von gleich mehreren Lampen. Es war etwas Unförmiges, das von einem
fleckigen Tuch verdeckt wurde. Quantz ahnte, was sich darunter verbarg.
    Ein Mann in
Hemdsärmeln wischte sich gerade die Hände an einem Lappen ab und begrüßte die
Ankömmlinge.
    »Monsieur La
Mettrie, Herr Rat … und da ist ja auch Herr Quantz. Willkommen in meinem
kleinen Laboratorium. Leider mussten wir uns mit diesem Keller behelfen, denn
das Wetter ist sehr warm, und das bekäme unserem Studienobjekt nicht gut, wie
Sie verstehen …« Bei jedem Wort nickte er sich selbst zu, dabei vermittelte er
durch seine leise Stimme eine eigenartige Traurigkeit, die durch die
herabhängenden Tränensäcke unter seinen Augen noch verstärkt wurde.
    Es war niemand
anderes als

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