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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Johann Theodor Eller, einer der berühmtesten Ärzte Preußens,
gleichzeitig Physiker und Chemiker, außerdem Leiter der Berliner Charité.
Quantz kannte ihn, denn er war ihm mehrmals in Berlin begegnet.
    »Ich freue mich,
dass mit Herrn La Mettrie ein Kollege zugegen ist«, sagte er, strahlte jedoch
alles andere als Freude aus.
    »Keine Angst, mein
lieber Monsieur Eller«, sagte der Franzose. »Wir haben ja schon oft über Ihre
Methoden diskutiert – insbesondere über Ihr Verfahren, Medikamente zu
verbessern, indem man sie mit Blut vermengt, was ich, wie Sie wissen,
vollkommen ablehne. Doch haben Sie keine Furcht, dass ich mich in Ihre Arbeit
einmische. Nur die Neugierde treibt mich her – und die Pflicht, mehr über den
seltsamen Todesfall zu erfahren, der Seine Majestät so stark beschäftigt.«
    Es handelte sich um
das übliche, scheinbar freundliche Geplänkel unter Kollegen, das oft
erbittertste Feindschaft verbarg.
    »Könnten wir
beginnen?«, meldete sich Weyhe. »Schließlich geht es um eine Untersuchung, die
letztlich mir obliegt.«
    Eller sah feindselig
zu Weyhe hinüber. In aller Ruhe wandte er sich Quantz zu. »Was verschafft uns
denn die Ehre, Herr Kammermusiker, Sie hier dabeizuhaben? Möchten Sie Ihren
Horizont erweitern und noch etwas dazulernen? Es muss betont werden, dass das
ganz in meinem Sinne ist. Sie gelten ja ohnehin als gelehrter Künstler, der
sich sogar mit den Gesetzen der Physik auskennt –«
    Nun war Quantz
Objekt einer Höflichkeitslobhudelei geworden – die typische Einleitung, wenn
sich Fachleute trafen. Es schmeichelte ihm, denn es zeigte, dass Eller ihn als
seinesgleichen ansah und auf Quantz’ Erkenntnisse im Flötenbau anspielte.
    »Nicht der Rede
wert«, sagte er. »Ich habe nur ein paar Kniffe entdeckt, um die königlichen
Instrumente zu verbessern. Eine rein handwerkliche Sache, die mit Forschung
sehr wenig zu tun hat.«
    »Der Grund von Herrn
Quantz’ Hiersein«, sagte La Mettrie, »ist die Tatsache, dass er den Lakaien
Andreas Freiberger kannte und seine Leiche entdeckte. Und das unter sehr
eigenartigen Umständen.«
    »Ich habe davon
gehört«, sagte Eller. »Sehr seltsam.«
    »Das kann man wohl
sagen«, ließ sich Weyhe wieder vernehmen. »Herr Eller, könnten Sie uns nun
vortragen, was Sie wissen?«
    Eller sah den Rat
an. »Entschuldigen Sie, aber so weit sind wir noch nicht. Vor dem
wissenschaftlichen Ergebnis kommt die Untersuchung.«
    »Was wollen Sie denn
überhaupt untersuchen?«, rief Weyhe. »Der Junge ist tot. Und dass er verbrannt
ist, kann ja wohl jeder sehen.« Er trat vor, packte das Tuch und zog es weg.
Durch den Ruck bewegte sich der schwarz verkohlte Haufen ein wenig, als sei er
zum Leben erwacht.
    Die Überreste von
Andreas waren ein Klumpen, an dem kaum körperliche Merkmale auszumachen waren.
Nur ein Arm ragte etwas zur Seite. Die Hand wirkte auf groteske Weise
unverletzt, war allerdings ziemlich schmutzig. Das Schrecklichste war, dass
Andreas’ Körper durch den Brand so klein geworden war. Man konnte noch den Kopf
und den Rumpf erahnen, doch dort, wo sich die Beine befunden hatten, endete die
Leiche in abgerissenen Stümpfen.
    Der Anblick drehte
Quantz den Magen um. Weyhe dagegen schien er überhaupt nicht zu erschüttern.
    »Und es stellt sich
nach wie vor die Frage«, sagte er, »was den Herrn Musikus dazu bewogen hat,
dort hinauszufahren, wo just in dem Moment der Lakai –«
    »Lassen Sie es gut
sein«, sagte La Mettrie, dessen Gesicht sich ungewohnt verhärtet hatte. »Ob es
an der Leiche etwas Besonderes zu erkunden gibt, wird Ihnen Herr Eller gleich
sagen. Lassen Sie ihn seine Aufgabe erledigen.«
    »Tot ist tot«,
brummte Weyhe. »Ich frage mich, wozu das alles nötig ist.«
    »Bitte treten Sie
zurück«, sagte Eller.
    Er hielt ein
metallenes Werkzeug in der Hand, das wie eine große Nadel aussah, und beugte
sich über den Leichnam. Er ging ohne das geringste Anzeichen von Ekel dicht an
das verkohlte Etwas heran. Quantz wurde der scharfe Brandgeruch bewusst, der
von der Leiche ausging und den das Tuch zurückgehalten haben musste.
    Der Arzt nahm sich
eine Stelle am Kopf vor und tastete mit seinem Metallinstrument herum. Von
einem Seitentisch, auf dem er sich weitere Werkzeuge zurechtgelegt hatte, nahm
er sich eine Lupe und untersuchte damit die menschlichen Überreste. Offenbar
war ihm an einer Stelle etwas aufgefallen.
    »Eine Verletzung?«,
fragte La Mettrie.
    Eller nickte.
»Soweit ich das noch erkennen kann. Das Opfer hat einen

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