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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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bedeutet das alles? Und überhaupt …« Quantz’ Herz
hämmerte wild, und ohne dass er es wollte, wurde seine Stimme lauter. »Wie sind
Sie darauf gekommen? Woher wollen Sie wissen, dass es nicht Andreas war?«
    Was für eine
Zwickmühle! Entweder hatte der Franzose Unrecht mit seiner seltsamen Theorie –
dann half er Quantz nicht ein Fingerbreit. Und wenn er recht hatte, würde man
ihm bald den Tod eines weiteren jungen Mannes anlasten. Wo sollte das noch
hinführen?
    Quantz sah sich um.
Doch niemand beachtete sie. Und niemand war so nah, dass er sie belauschen
konnte, wenn sie sich einigermaßen leise unterhielten. »Die Hand«, sagte La
Mettrie leise. »Die Hand dieses unglücklichen Jungen, den Herr Eller dort unten
untersucht hat, war voller … wie sagt man das auf Deutsch?«
    »Was meinen Sie?
Eine Krankheit? Ausschlag?«
    Der Franzose machte
eine Faust, öffnete sie und strich mit den Fingern über die Innenfläche seiner
Hand. »Nein. Wenn jemand schwer mit den Händen arbeitet, bildet sich eine dicke
Haut.«
    »Schwielen?«, fragte
Quantz.
    »Ganz genau. Dieser
Junge hatte Schwielen auf der Handfläche, die man noch sehr gut erkennen
konnte. Andreas’ Hände dagegen waren weich. Er verrichtete ja keine sehr
schweren Arbeiten.«
    »Das haben Sie genau
gesehen?«
    »Natürlich. Ich habe
ja sogar die Lupe benutzt.«
    Hinter dem Zaun
wimmelte es jetzt von Soldaten. Im Hintergrund ritten Offiziere auf und ab und
beobachteten aufmerksam, wie sich die Grenadiere unter den Befehlen der
Unteroffiziere aufstellten.
    »Aber Monsieur! Das
bedeutet doch, dass ich unschuldig bin. Wir müssen es Herrn Eller sagen. Herrn
Eller und Herrn Weyhe. Dem König. Wenn es nicht Andreas war –«
    »Zum König können
Sie gleich gehen, wenn Sie möchten.« La Mettrie wies hinüber. Gerade kam
Friedrich mit wehender Feder am Hut auf einem Schimmel herangeritten, begleitet
von einem weiteren Tross Offiziere. Die Metallteile der prachtvollen Uniformen
blitzten in der Sonne. Befehle ertönten. Die Soldaten formierten sich weiter.
    Der Monarch schwebte
selbstbewusst über dem militärischen Treiben. Wenn er so inmitten seiner
Soldaten war, konnte man kaum glauben, dass es sich um denselben Mann handelte,
der im Glanz eines von Kerzenlicht leuchtenden goldenen Saales abends
Flötenkonzerte spielte.
    »Monsieur La
Mettrie, warum haben Sie das für sich behalten? Sie bringen mich durch Ihr
Schweigen in größte Schwierigkeiten.«
    Der Philosoph wiegte
seinen runden Kopf. »Glauben Sie?«
    »Ja natürlich. Wenn
alle Welt glaubt, die Leiche sei die von Andreas, und wenn man mich mit ihm in
Verbindung bringt …«
    »Dann stellt sich
doch viel eher die Frage, was Ihre Feinde, die ja offensichtlich
dahinterstecken, damit bezwecken. Überlegen Sie doch einmal, Monsieur Quantz:
Man hat einen anderen Jungen ermordet, um es so aussehen zu lassen, als sei
Andreas Freiberger getötet worden. Man hat es so eingefädelt, dass Sie in
diesen Mord verwickelt sind. Ganz unbestreitbar wurde Ihnen eine Falle
gestellt. Nun müssen wir uns doch eine ganz bestimmte Frage stellen.«
    »Und die wäre?«
    »Denken Sie!
Benutzen Sie Ihren Verstand!«
    »Wer dahintersteckt?
Wer der Mann auf dem Faulen See war? Wer den Mord begangen hat? Wer der
unbekannte Junge ist? Was derjenige, der das alles getan hat, davon hat?
Monsieur, da gibt es viele Fragen, auf die ich gern eine Antwort hätte.«
Verzweiflung kroch in ihm hoch. Ja, es waren sehr viele Fragen …
    Prasselnde
Trommelwirbel ließen die Luft erzittern. Das war der Generalmarsch, mit dem die
Parade begann.
    »Und die aus meiner
Sicht entscheidende Frage haben Sie noch gar nicht erwähnt«, sagte La Mettrie.
    »Und wie lautet sie?
Ich flehe Sie an, sagen Sie doch bitte, was Sie denken.«
    »Es ist die Frage,
was mit dem wahren Andreas Freiberger geschehen ist.«
    Diese Frage fand La
Mettrie wichtig? Die Antwort war doch leicht. »Er ist natürlich auch tot.«
    »Glauben Sie? Dann
hätte man doch gleich seine Leiche nehmen können, um einen Mordverdacht auf Sie
zu lenken. Meiner Ansicht nach lebt er. Und wahrscheinlich geht es ihm sogar
gut.«
    »Sie meinen, man
hält ihn irgendwo gefangen? Aus welchem Grund?«
    »Weil man ihn
braucht.«
    »Wofür braucht man
ihn? Das verstehe ich nicht.«
    »Andreas hatte, das
heißt, er hat viele Talente. Und Sie denken ja
selbst, dass er vielleicht bestimmte Dinge weiß, die wiederum die Feinde des
Königs interessieren könnten. Reicht das nicht, um der Welt

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