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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Der Offizier ritt die Reihen ab und schrie ein paar Befehle, um sie
exakter zu machen. Quantz sah zum König hinüber, der an die hundert Schritte
vom Eingang zum Schlossgarten auf seinem Pferd saß und, umgeben von weiteren
Offizieren, das Geschehen mit unbewegter Miene beobachtete.
    Jetzt sammelte sich
am Zaun ziviles Volk. Unteroffiziere und Mannschaften drängten es ab, sodass
für Quantz und La Mettrie der Blick frei blieb.
    Nun wurden längliche
Stäbe an die Grenadiere an der Gasse verteilt, Haselruten, die man in
Salzwasser getaucht hatte. Schließlich wurde ein einzelner Soldat herangeführt.
Sein Oberkörper war nackt, Hände und Füße waren gefesselt. Er konnte nur in
winzigen Schritten tippeln.
    Der Kommandeur kam
herangeritten und zog ein Papier hervor, das er verlas. Quantz konnte die Worte
nicht verstehen, doch es musste das Urteil sein, das der König über den halb
nackten Grenadier gesprochen hatte. Schließlich ertönten rasselnd und
erschreckend laut die Trommeln. Das Spießrutenlaufen begann. Bis zur Mündung
der Hohewegstraße war das peitschende Geräusch der Holzruten zu hören.
    Quantz und La
Mettrie wandten sich ab und gingen schweigend an der Nikolaikirche vorbei in
Richtung der nördlichen Stadt davon. Vor Jahrzehnten hatte Quantz zum ersten
Mal einen Spießrutenlauf gesehen. Zuvor, als er die Strafe nur vom Hörensagen
kannte, hatte er sie noch für eine milde Maßregel gehalten. Ein wenig Prügel
auf den nackten Rücken, was war das schon? Doch dann hatte das Spießrutenlaufen
unter Trommelwirbel und Geschrei begonnen. Der Delinquent hatte noch nicht
einmal ein Drittel der Reihe hinter sich gebracht, da troff sein Körper von
Blut, hingen Fetzen von Fleisch den Rücken herab, sodass der Verurteilte
ohnmächtig hinsank, mit Güssen eisigen Wassers aufgeweckt werden musste, sich
schließlich weiterschleppte, wieder zusammenbrach, und alles begann von vorn.
Nicht selten stand am Ende der Strafe der Tod.
    Quantz und La
Mettrie erreichten den Kanal. An der Nauenschen Brücke blieben sie stehen.
Gegenüber lag die Fläche des Faulen Sees, die im hellen Sonnenlicht völlig
harmlos wirkte. Eine Grasfläche, mit Bäumen bepflanzt. Kein Ort, an dem man
sich fürchten musste.
    Der Franzose sah
hinunter zum Wasser. »Ich denke, Sie haben verstanden, dass wir, solange wir
nicht wirklich wissen, mit wem wir es zu tun haben, niemandem trauen können.
Deswegen habe ich die Erkenntnis über die wahre Identität des Toten für mich
behalten. Gegen wen wir auch immer kämpfen, jetzt sind wir ihm einen Schritt
voraus.«
    »Ich muss Ihnen
danken, Monsieur. Sie haben tatsächlich Licht in die Sache gebracht.«
    La Mettrie wiegte
den Kopf hin und her. »Nicht der Rede wert. Sie wissen ja, warum ich mich mit
dem Casus beschäftige.«
    Quantz sah den
Franzosen mit dem kugelrunden Kopf an, und ihm wurde bewusst, dass er La
Mettrie vor zwölf Stunden noch selbst zu den Feinden gezählt hatte, die es zu
bezwingen galt. »Warum sollte ich Ihnen eigentlich trauen, Monsieur? Sie haben
selbst gesagt, der Feind kann überall sein.«
    Quantz hatte
erwartet, dass La Mettrie nun Entrüstung zeigen würde oder beleidigt sei, aber
der Philosoph sagte nur: »Eine gute Frage. Sie können sich nur ein Bild machen
anhand der Dinge, die Sie wissen. Mehr nicht. Ich kann Ihnen dabei naturgemäß
nicht weiterhelfen. Doch ich gratuliere Ihnen zu dem Gedanken. Er zeigt, dass
Sie wirklich systematisch vorgehen.«
    Viel anderes blieb
ihm auch nicht übrig. Doch dann fiel ihm ein, dass eine Frage noch offen war –
und zwar eine Frage, deren Antwort tatsächlich darüber entschied, auf welcher
Seite La Mettrie stand.
    »Das Treffen der
Musiker in der Nacht nach dem Souper in Monbijou«, sagte er. »Im Berliner
Schloss. Was hatten Sie damit zu tun? Sie haben es doch arrangiert, oder
nicht?«
    La Mettrie sah
Quantz sehr ruhig und ernst an. »Nein, da irren Sie sich. Davon weiß ich
nichts.«
    »Aber ich habe es
doch gesehen.«
    »Was haben Sie
gesehen, Monsieur?«
    »Sie haben Herrn
Bach ein Papier gegeben, und er hat es eingesteckt.«
    »Ah – sehr gut
beobachtet.« Die Ernsthaftigkeit wich einem amüsierten Gesichtsausdruck, und er
lachte kurz sein Lachen. »Aber das hatte einen ganz anderen Grund. Sehen Sie,
wir haben alle unsere Geheimnisse. Bei mir sind sie in erster Linie amouröser
Natur. Mich verbindet ein zärtliches Gefühl mit einer jungen Bürgerstochter,
die wiederum bei einem Kollegen von Herrn Bach Unterricht im

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